Schulplatzklage – die Chancen auf den Wunschschulplatz erhöhen (Teil 2)

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Dies ist Teil 2 des Rechtstipps. Zum Teil 1 – Maßnahmen vor dem Ergehen eines Ablehnungsbescheides – gelangen Sie hier.

3. Maßnahmen nach dem Ergehen des Ablehnungsbescheides

Sollte – ggf. trotz Gebrauchmachens von den genannten Möglichkeiten zur Chancenoptimierung im Vorfeld – doch ein Ablehnungsbescheid ins Haus geflattert sein, muss dies noch nicht bedeuten, dass der Wunschschulplatz nicht mehr erreichbar ist. Es stehen Rechtsbehelfe zur Verfügung, die es Ihnen erlauben, die Rechtmäßigkeit der Ablehnung Ihres schulischen Erstwunsches durch die Rechtsabteilung der Schulbehörde als Widerspruchsbehörde und ggf. das Verwaltungsgericht überprüfen zu lassen.

Wenngleich der Bescheid der Schule der äußeren Form nach typischerweise positiv formuliert ist, indem er einen Schulplatz an der Zweitwunsch-, Drittwunsch- oder einer sonstigen Schule zuweist, handelt es sich rechtlich um eine Ablehnung des Erstschulwunsches und damit um einen belastenden Verwaltungsakt. Ein belastender Verwaltungsakt kann im Rahmen der Durchführung des sog. Widerspruchsverfahrens auf seine Rechtmäßigkeit hin überprüft werden (unten a)).

Damit der Widerspruch ausreichend und sachgerecht begründet werden kann, sollte vor der abschließenden Begründung des Widerspruchs regelmäßig Akteneinsicht genommen werden (unten b)).

Nicht immer wird über den Widerspruch rechtzeitig vor Beginn des neuen Schuljahres entschieden. Sollte sich abzeichnen, dass der Widerspruchsbescheid der Behörde nicht rechtzeitig vor Beginn des neuen Schuljahres vorliegen wird oder sollte ein ablehnender Widerspruchsbescheid ergangen sein, wird es notwendig, im Rahmen eines verwaltungsgerichtlichen vorläufigen Rechtsschutzverfahrens einen Antrag auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu stellen, um zu erreichen, dass der Schüler vorläufig, bis zum Ergehen der Hauptsacheentscheidung, einen Schulplatz an der Wunschschule zugewiesen bekommt. Die Entscheidung über die Berechtigung des Schulplatzbegehrens wird dann regelmäßig nicht mehr im Widerspruchs- bzw. dem sich anschließenden Hauptsacheverfahren getroffen, sondern im Rahmen des gerichtlichen Eilverfahrens (unten c)).

a) Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid

Gegen den Ablehnungsbescheid der Schule kann Widerspruch eingelegt werden, der das Widerspruchsverfahren auslöst. In diesem Verfahren prüft zunächst die Schule selbst unter Berücksichtigung der Widerspruchsbegründung ihre Entscheidung auf mögliche Fehler; geht die Schule von der Rechtmäßigkeit ihrer Entscheidung aus, reicht sie die Akte zur Prüfung an die Rechtsabteilung der Schulbehörde weiter, die als Widerspruchsbehörde die Entscheidung ihrerseits noch einmal überprüft.

aa) Erfolgsaussichten des Widerspruchs

Eltern stellen sich nach Erhalt eines Ablehnungsbescheides die Frage, ob ein rechtliches Vorgehen gegen den Bescheid ausreichende Erfolgsaussichten bietet. Dies ist auch im Hinblick auf die Kostenfrage von Bedeutung, denn im Fall eines erfolglosen Durchlaufens des Widerspruchsverfahrens fallen für dieses Verfahren behördliche Gebühren an, wenn sich kein Klageverfahren anschließt. Die Gebühren für die Durchführung eines erfolglosen Widerspruchsverfahrens belaufen sich in Hamburg zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Beitrags auf ca. 200 Euro. Ist der Widerspruch dagegen erfolgreich, fallen keine Gebühren an.

Die Antwort auf die Frage nach den Erfolgsaussichten eines Widerspruchs lautet: Eine belastbare Einschätzung der Erfolgsaussichten unter Berücksichtigung der Verhältnisse des Einzelfalls ist in der Regel erst nach Auswertung der im Rahmen der Akteneinsicht offengelegten Dokumente betreffend die Verfahrensanwendung an der Erstwunschschule möglich. Das Schulplatzverteilungsverfahren ist ein komplexes Massenverfahren, bei dessen Durchführung das Auftreten von Fehlern nicht ungewöhnlich ist. Eine belastbare Beurteilung der Erfolgsaussichten ist nur nach Fehlersuche im Verteilungsverfahren, der Feststellung von deren Qualität und der Abschätzung ihrer Rechtsfolgen möglich. Diese Prüfung setzt die Einsichtnahme in die Dokumentation der Schulplatzverteilung an der Erstwunschschule voraus, die im Rahmen der Akteneinsicht erfolgt. 

Eine allgemeine Aussage lässt sich dahingehend treffen: Die Einlegung des Widerspruchs erhält und erhöht die Chancen, den Wunschschulplatz doch noch zu erlangen. Nur mit Einlegung des Widerspruchs bleiben die Aussichten auf den Wunschschulplatz gewahrt. Wird nicht fristgerecht Widerspruch eingelegt, wird der Ablehnungsbescheid bestandskräftig. Selbst wenn es im Verteilungsverfahren zu Fehlern gekommen sein sollte, können diese Fehler dann nicht mehr gerügt werden. Der Wunschschulplatz ist unerreichbar geworden. Wird dagegen Widerspruch eingelegt, bleibt man „im Spiel“: Die Schulbehörde hat ein Interesse daran, die Wünsche der Widersprechenden möglichst zu erfüllen, um die Verfahren auf diese Weise zu erledigen. Sie wird im Verfahren eintretende Veränderungen, zu denen es im Zuge der Durchführung des Verteilungsverfahrens (z. B. durch den Verzicht auf zugesprochene Schulplätze) kommen kann, zugunsten dieser Eltern berücksichtigen.

Die Chancen erhöhen sich auch deshalb, weil im Zuge des Widerspruchsverfahrens die Möglichkeit besteht, eventuelle Verfahrensfehler geltend zu machen, wenn sie – ggf. durch einen auf das Schulrecht spezialisierten Rechtsanwalt – identifiziert und gerügt werden.

bb) Einlegung des Widerspruchs

Der Widerspruch kann formfrei bei der Erstwunschschule eingereicht werden, die den Ablehnungsbescheid erlassen hat. Diesem Bescheid ist meist eine Rechtsmittelbelehrung beigefügt. Wichtig ist die Einhaltung der Widerspruchsfrist, die einen Monat beträgt, sofern der Ablehnungsbescheid eine ordnungsgemäße Rechtsmittelbelehrung aufweist, andernfalls ein Jahr. Die Frist wird in Lauf gesetzt mit Zugang des Ablehnungsbescheides bei Ihnen. Wegen des Postlaufs kann dieser Zeitpunkt von der Datierung des Bescheides abweichen. Es empfiehlt sich, um den Zugang des Schreibens ggf. belegen zu können, den Briefumschlag mit dem Poststempel aufzubewahren. Eine möglichst rasche Einlegung des Widerspruchs begründet im Verfahren keine Vorteile gegenüber anderen Widersprechenden, die die Widerspruchsfrist einhalten. 

Der Widerspruch sollte derart eingelegt werden, dass sich seine fristgerechte Einlegung im Bedarfsfall belegen lässt. Dies kann auf unterschiedliche Weise erreicht werden, z. B. durch persönlichen Einwurf in den Schulbriefkasten unter Zeugen, die persönliche Abgabe im Schulsekretariat gegen schriftliche Empfangsbestätigung oder auch durch den Versand per Einschreiben/Rückschein, wobei möglichst ein Zeuge anwesend sein sollte, der bestätigen kann, dass es sich bei dem versendeten Schriftstück tatsächlich um den Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid handelte.

Schwierigkeiten bereitet regelmäßig die Begründung des Widerspruchs. Eine Begründung ist zwar rechtlich nicht vorgeschrieben, sollte aber im eigenen Interesse erfolgen. Die Ablehnungsgründe sind im Zuweisungs-/Ablehnungsbescheid regelmäßig nur sehr knapp bezeichnet; häufig wird nur auf die unzureichende Kapazität verwiesen, um die Ablehnung zu begründen. Allein auf dieser Grundlage kann eine sachgerechte Begründung des Widerspruchs regelmäßig nicht erfolgen. Es empfiehlt sich daher, zunächst fristwahrend Widerspruch einzulegen, in diesem Schreiben zugleich Akteneinsicht zu beantragen und eine Begründung des Widerspruchs auf der Grundlage des Ergebnisses der durchgeführten Akteneinsicht mit gesondertem Schreiben in Aussicht zu stellen. 

Das Widerspruchsschreiben kann (eine bestimmte Form ist nicht vorgeschrieben) z. B. folgendermaßen aussehen (Muster):


[Ihre Anschrift]

[Anschrift Erstwunschschule, die den Ablehnungsbescheid erlassen hat] 

[Datum]

Widerspruch gegen Ihren Ablehnungsbescheid vom […]

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir nehmen Bezug auf Ihren Bescheid vom […], bei uns eingegangen am […], mit dem unserem Sohn/unserer Tochter ein Schulplatz an der […] Schule zugewiesen und damit unser Erstwunsch, die Zuweisung eines Schulplatzes an Ihrer Schule, abgelehnt wurde.

Wir legen gegen den vorgenannten Bescheid hiermit

W i d e r s p r u c h

ein.

Daneben b e a n t r a g e n wir

A k t e n e i n s i c h t

in die Schulakte und sämtliche Aktenteile, die Aufschluss über die Vergabe von Schulplätzen an Ihrer Schule in diesem Jahr geben, insbesondere in die Schülerlisten.

Unseren Widerspruch werden wir zeitnah nach erteilter Akteneinsicht mit gesondertem Schreiben begründen.

Wir bitten um eine schriftliche Bestätigung des Eingangs dieses Widerspruchsschreibens.

Mit freundlichen Grüßen

[Unterschriften beider Elternteile bei gemeinsamem Sorgerecht]


b) Antrag auf Akteneinsicht

Die Erfüllung des Antrages auf Akteneinsicht ist Ausgangspunkt für eine Fehlersuche im Schulplatzzuteilungsverfahren und ermöglicht erst eine fundierte Begründung des Widerspruchs gegen den Ablehnungsbescheid. Der Antrag sollte daher frühestmöglich bei der Erstwunschschule gestellt werden; er kann mit der Einlegung des Widerspruchs verbunden (s.o.), aber auch separat geltend gemacht werden.

Bei der Erledigung des Akteneinsichtsantrages ist die Schule bzw. Schulbehörde an keine feste Frist gebunden. Wird der Antrag nicht in angemessener Zeit beschieden, sollte an seine Erledigung erinnert werden.

c) Rechtzeitige Initiierung eines gerichtlichen Eilverfahrens

Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens kann über Widersprüche rechtzeitig vor Beginn des neuen Schuljahres abschließend entschieden werden. Eine gesetzliche Frist für die Entscheidung der Schulbehörde über den eingelegten Widerspruch ist allerdings nicht vorgesehen. In der Praxis kommt es in jedem Jahr in zahlreichen Fällen vor, dass 6 oder gar 4 Wochen vor Beginn des neuen Schuljahres über den Widerspruch noch nicht entschieden wurde. Einige Eltern tappen hier in eine Falle, indem sie irrtümlich annehmen, sie hätten mit Einlegung des Widerspruchs schon alles Erforderliche getan. 

Es empfiehlt sich, ca. 6 Wochen vor Schulbeginn die Entscheidung über den Widerspruch bei der Schulbehörde anzumahnen und unter Fristsetzung die Stellung eines Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Verwaltungsgericht anzukündigen. Dieser Antrag zielt auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung durch das Verwaltungsgericht. Mit Erlass der einstweiligen Anordnung gibt das Gericht der Schulbehörde auf, Ihrem Kind rechtzeitig vor Schulbeginn vorläufig, bis zur endgültigen Entscheidung der Angelegenheit in der Hauptsache (Widerspruchs- oder Klagverfahren) einen Schulplatz in der 1. oder 5. Klassenstufe Ihrer Erstwunschschule zuzuweisen.

Im Fall der Versäumung der rechtzeitigen Stellung dieses Antrages bei Gericht wird Ihr Kind, obwohl Sie Widerspruch eingelegt haben, mit Schulbeginn an der im Ablehnungsbescheid vorgesehenen Schule eingeschult. Sollte Ihr Widerspruch später Erfolg haben, würde in der sensiblen Phase der Schuleingewöhnung ein Schulwechsel nötig. Rechtlicher Hintergrund ist, dass Sie mit dem von Ihnen eingelegten Widerspruch nicht allein die Aufhebung des Ablehnungsbescheides begehren, sondern darauf abzielen, einen Schulplatz an der Erstwunschschule zugewiesen zu bekommen. In diesen Fällen eines Verpflichtungswiderspruchs entfaltet der Widerspruch keine aufschiebende Wirkung: Die im Ablehnungsbescheid zu Ihren Ungunsten getroffene Entscheidung wird zunächst umgesetzt. Um diese Nachteile zu vermeiden, ist rechtzeitig das gerichtliche Eilverfahren zu initiieren. Jedes Jahr wird eine erhebliche Zahl dieser Verfahren vor dem Verwaltungsgericht durchgeführt.

Das gerichtliche Eilverfahren setzt die Eilbedürftigkeit der Angelegenheit voraus und kann in der Regel innerhalb von 4 Wochen durchgeführt werden, im Einzelfall noch rascher. Das Gericht entscheidet aufgrund der Eilbedürftigkeit in der Regel ohne mündliche Verhandlung. Kosten für das gerichtliche Eilverfahren sind von Ihnen grundsätzlich nur dann zu tragen, wenn Sie mit Ihrem Schulplatzbegehren im Eilverfahren unterliegen. Aufgrund des reduzierten Streitwerts fallen im Eilverfahren deutlich geringere Gerichtskosten an als in einem Hauptsacheverfahren.

4. Nachteile für das eigene Kind infolge der Einlegung von Rechtsbehelfen?

Einige Eltern fragen sich, ob ihr Kind Nachteile vonseiten der Schule zu erwarten haben könnte, wenn sie von ihrem Recht Gebrauch machen, Widerspruch einzulegen und die Rechtmäßigkeit des Ablehnungsbescheides zur Überprüfung zu stellen. Diese Sorge ist regelmäßig unbegründet. Es ist nicht zu befürchten, dass die Art und Weise, wie der Schulplatz „erstritten“ wurde, später im Schulalltag eine Rolle spielt.

5. Selbst oder mit anwaltlicher Unterstützung?

Sämtliche hier angesprochenen Maßnahmen – von der Einlegung und Begründung des Widerspruchs über die Beantragung der Akteneinsicht bis zur Durchführung des gerichtlichen Eilverfahrens – können Sie als Eltern selbst durchführen. Es besteht kein Anwaltszwang. Ich empfehle Eltern allerdings, sich der Unterstützung eines im Schulrecht erfahrenen Rechtsanwalts spätestens zu versichern, wenn das gerichtliche Eilverfahren durchgeführt werden soll. Bereits zuvor, nämlich bei der Begründung des einzulegenden Widerspruchs, kann die Einschaltung eines auf das Schulrecht spezialisierten Anwalts entscheidende Vorteile bieten. Der Anwalt kann aufgrund seiner Erfahrung Fehler im Schulplatzverteilungsverfahren leichter ausmachen und – übersetzt in juristische Fachtermini – der Rechtsabteilung der Schulbehörde gegenüber geltend machen.

Dies ist Teil 2 des Rechtstipps. Zu Teil 1 – Maßnahmen vor dem Ergehen eines Ablehnungsbescheides – gelangen Sie hier.


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