Rechtsschutzversicherung im Verwaltungsrecht

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Rechtsschutzversicherung im Verwaltungsrecht - finanziell rundum abgesichert?

Rechtsschutzversicherungen haben ein geschicktes Marketing: Die Werbung vermittelt häufig den Eindruck, mit Abschluss der Versicherung im Streitfall aller finanziellen Sorgen ledig zu sein. Aber trifft das tatsächlich zu?

Antwort: Nicht notwendigerweise in allen Rechtsbereichen und Konstellationen. Es ist von Vorteil, den Nutzen einer Rechtsschutzversicherung und die Grenzen der Kostenübernahme realistisch einzuschätzen.


I.  Verwaltungsrecht überhaupt vom Versicherungsschutz umfasst?

Geht es um einen Streitfall im Verwaltungsrecht, gilt es zu klären, ob ein solcher von Ihrem Versicherungsschutz überhaupt erfasst wird. Das ist nicht selbstverständlich, wenn es z.B. um eine Angelegenheit im Umwelt- oder Abfallrecht, im Handwerksrecht, Baurecht oder auch im Schulrecht geht. Viele von den Versicherern geschnürte gängige Versicherungspakete sparen das Verwaltungsrecht als Rechtsmaterie von vornherein aus. Versicherungsschutz besteht, je nach Inhalt des konkret geschlossenen Versicherungsvertrages, nur bei Streit rund um den Arbeitsplatz, in vertraglichen Angelegenheiten oder bei Verkehrunfällen.

Ob eine Ausdehnung des Versicherungsschutzes auf das Verwaltungsrecht in Ihrem Fall empfehlenswert ist, lässt sich nicht pauschal, sondern nur aufgrund einer individuellen Risikoeinschätzung und einer darauf basierenden Kosten-Nutzen-Analyse beantworten. 

Haben Sie noch keinen Rechtsschutz im Verwaltungsrecht und tritt ein verwaltungsrechtlicher Streitfall ein, muss es noch nicht zu spät sein, für Versicherungsschutz zu sorgen. Zwar sehen Versicherungsverträge regelmäßig eine Wartezeit vor, bis der Versicherungsschutz greift. Damit wollen Versicherungen vermeiden, dass der Versicherungsvertrag geschlossen wird, wenn der Eintritt des ersten Schadensfalls für den Versicherungsnehmer bereits absehbar ist. Es gibt allerdings auch Versicherungsverträge, die auf eine Wartezeit verzichten und eine rückwirkende Eintrittspflicht des Rechtsschutzversicherers begründen.


II.  Unterschiede zwischen einzelnen Versicherern - worauf Sie achten sollten

Die Versicherungsverträge, die das Verwaltungsrecht abdecken, unterscheiden sich nicht nur hinsichtlich der jährlichen Kosten und in der Höhe der Selbstbeteiligung. Mit Selbstbeteiligung ist der Betrag gemeint, den der Versicherungsnehmer im Schadensfall aus eigener Tasche zu begleichen hat, ehe die Versicherung Kosten übernimmt (variabel, kann bis zu 300,- EUR betragen). Die angebotenen Versicherungsverträge differieren auch in Bezug auf das Stadium, in dem die Eintrittspflicht des Versicherers vorgesehen ist. Eher selten löst bereits die  Inanspruchnahme einer anwaltlichen Beratung oder die Hinzuziehung eines Anwalts im behördlichen Antragsverfahren die Eintrittspflicht aus. Häufiger ist die Eintrittspflicht an den Erlass einer belastenden Verwaltungsmaßnahme (wie z.B. einen Verwaltungsakt, also einen belastenden behördlichen Bescheid) geknüpft, so dass Kosten erst für die anwaltliche Unterstützung im Widerspruchsverfahren übernommen werden. Zum Teil werden Kosten auch erst im Fall einer gerichtlichen Auseinandersetzung übernommen. Dieser späte Anknüpfungspunkt für die Eintrittspflicht des Versicherers ist im Verwaltungsrecht eher ungünstig, da in vielen Fällen eine anwaltliche Begleitung bereits im Rahmen eines Antragsverfahrens, auf jeden Fall aber im Widerspruchsverfahren sinnvoll erscheint und im Fall anwaltlicher Unterstützung in dieser Phase bereits Kosten anfallen werden. 


III. "Automatische" Begrenzung der Höhe der Kostenübernahme durch Versicherer

Was infolge mangelnder diesbezüglicher Aufklärung von Seiten der Rechtsschutzversicherer von Versicherungsnehmern nicht selten übersehen wird, ist Folgendes: Die Rechtsschutzversicherung übernimmt Gerichtskosten regelmäßig in voller Höhe, Anwaltskosten dagegen in der Regel nur in Höhe der vom Anwalt nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) ansatzfähigen gesetzlichen Gebühren. Dies gilt grundsätzlich für jeden Rechtsschutzversicherer - es sei denn, es werden Sonderkonditionen jenseits der standardisierten Rechtsschutzpakete im Einzelfall individuell ausgehandelt (worauf sich der Versicherer nur in besonderen Ausnahmefällen einlassen wird).

Das bedeutet, dass auch ohne eine dahingehende explizite Vereinbarung eine "Deckelung" der Kostenübernahme durch den Versicherer in den Vertrag "eingebaut" ist. 

Welche Folgen hat das?

Das kommt auf das Rechtsgebiet an, in dem anwaltliche Kosten für die rechtliche Vertretung entstehen. In einigen wichtigen Rechtsgebieten ist es durchaus üblich (allerdings nicht zwingend), dass der Sie vertretende Anwalt auf Grundlage der im RVG vorgesehenen gesetzlichen Gebühren abrechnet - so z.B. im allgemeinen Zivilrecht, im Familienrecht oder im Arbeitsrecht.

In anderen Rechtsgebieten, zu denen das Verwaltungsrecht zählt, ist dies jedoch aufgrund der dort vergleichweise niedrigen Streitwerte nicht üblich. Rechnet ein Anwalt im Verwaltungsrecht nach Maßgabe der gesetzlichen Gebühren des RVG ab, wird er das Mandat in vielen Fällen nicht wirtschaftlich durchführen können. Ein Anwalt kann beispielsweise im Fall der Durchführung eines verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens in der Regel gerade einmal einen Betrag von ca. 360,- EUR abrechnen, was angesichts der investierten Zeit und des Aufwandes in der Mehrzahl der Fälle wirtschaftlich nicht auskömmlich sein wird.

Gerade auf das Verwaltungsrecht spezialisierte Anwälte, die überwiegend oder ausschließlich in diesem Rechtsgebiet tätig sind, rechnen daher häufig auf der Grundlage einer mit dem Mandanten zu schließenden Vergütungsvereinbarung ab - eine Möglichkeit, die das RVG ausdrücklich vorsieht. Die Höhe des anwaltlichen Honorars wird in diesen Fällen in der Vergütungsvereinbarung festgelegt, die Sie als Mandant bei der Beauftragung des Anwalts mit ihm vereinbaren. Die Vergütungsvereinbarung kann einen Stundensatz festlegen und die Höhe des Honorars auf diese Weise vom zeitlichen Aufwand des Anwalts bei der Bearbeitung Ihrer Angelegenheit abhängig machen. Andere Gestaltungen sind zulässig und werden in der Praxis gewählt.

(Übrigens: Einen guten Anwalt erkennen Sie u.a. daran, dass er die Honorarfrage nicht vermeidet, sondern von sich aus anspricht und Ihnen im Fall des Abschlusses einer Vergütungsvereinbarung deren Regelungen verständlich erklärt und Ihre diesbezüglichen Fragen klar beantwortet.)

Wird die Höhe des anwaltlichen Honorars nach Maßgabe einer Vergütungsvereinbarung bestimmt, kann es sein, dass das so ermittelte Anwaltshonorar den Betrag übersteigt, den der Anwalt bei Abrechnung nach den gesetzlichen Gebühren berechnen dürfte. Es entsteht eine Differenz zwischen der Summe der abrechenbaren gesetzlichen Gebühren und dem nach der Vergütungsvereinbarung berechneten Honorar. Da Ihre Versicherung auch im Fall des Abschlusses einer Vergütungsvereinbarung nur die nach den gesetzlichen Gebührentatbeständen berechneten Anwaltskosten (abzüglich der vereinbarten Selbstbeteiligung) übernimmt, ist das nach der Vergütungsvereinbarung berechnete, darüber hinausgehende Anwaltshonorar von Ihnen aus eigener Tasche zu begleichen. Der Versicherungsschutz ist auf diese Weise - ohne dass der Versicherer Sie darauf besonders aufmerksam machen müsste - "automatisch" der Höhe nach begrenzt.


IV. Aus der "Deckelung" der Kostenübernahme ableitbare Empfehlungen

Eine naheliegende Folgerung - so könnte man meinen - besteht darin, von vornherein nach einem Anwalt Ausschau zu halten, der bereit ist, nach den gesetzlichen Gebühren des RVG abzurechnen. Denn in diesem Fall entstünden Ihnen keinerlei selbst zu tragende Kosten.

Es ist allerdings zweifelhaft, ob dieser Ansatz im Verwaltungsrecht die richtige Strategie darstellt. Gerade Anwälte, die auf das Verwaltungsrecht spezialisiert sind und in diesem Rechtsgebiet über breitgefächerte Erfahrung verfügen, werden eine Abrechnung nach den gesetzlichen Gebühren eher nicht anbieten, da die Übernahme der Angelegenheit sich in diesem Fall wirtschaftlich oft nicht rechnen wird. Das Bestehen auf der Abrechnung nach den gesetzlichen Gebühren läuft daher u.U. darauf hinaus, Einbußen bei der Qualität der anwaltlichen Bearbeitung der Angelegenheit hinnehmen zu müssen, wenn ein mit der Materie nicht vertrauter Anwalt den Fall übernimmt oder der Anwalt von vornherein weiß, dass sein Fallhonorar nicht auskömmlich sein wird.

Rechtsschutzversicherungen empfehlen mitunter Anwälte, mit denen sie zusammenarbeiten. Hier empfiehlt es sich, genau zu prüfen, ob der empfohlene Anwalt ausreichende Erfahrung in der Bearbeitung von Fällen wie Ihrem gesammelt hat. Im Zweifel sollten Sie von Ihrem Recht der freien Anwaltswahl Gebrauch machen, sich selbst einen Überblick über anwaltliche Anbieter verschaffen und den Anwalt auswählen, dem Sie eine sorgfältige und engagierte Bearbeitung Ihrer Angelegenheit zutrauen.

Um die Folgen der begrenzten Kostenübernahme durch Ihren Versicherer für Sie vor Mandatsübernahme jedenfalls weitestmöglich einschätzbar und berechenbar zu machen, empfiehlt sich folgendes Vorgehen:

1. Fragen Sie den von Ihnen ausgewählten Anwalt vor der Beauftragung, ob er nach den gesetzlichen Gebühren des RVG oder auf der Grundlage einer Vergütungsvereinbarung abrechnet.

2. Rechnet er auf der Grundlage einer Vergütungsvereinbarung ab, lassen Sie sich vor der Beauftragung deren Regelungen erläutern.

3. Informieren Sie den Anwalt, dass Sie rechtsschutzversichert sind, und fragen Sie ihn, ob er Ihnen vorab eine Kostenschätzung im Hinblick auf die voraussichtliche Höhe des möglicherweise von Ihnen selbst zu tragenden Kostenanteils geben kann.

4. Im Einzelfall kann es sinnvoll sein, mit dem Anwalt eine "Deckelung" des von Ihnen selbst zu tragenden Kostenanteils zu vereinbaren. Kommt die Vereinbarung zustande, sollten Sie darauf achten, dass sie in die Vergütungsvereinbarung aufgenommen wird.


V. Exkurs: Ein Sieg vor Gericht ist auch ein finanzieller Sieg - oder?

Obsiegen Sie in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren, werden die Gerichtskosten in der Regel der unterlegenen Partei auferlegt, so dass diese Kostenposition für Sie entfällt. Im Hinblick auf die Anwaltskosten entsteht im Obsiegensfall ein Kostenerstattungsanspruch gegenüber dem unterlegenen Beteiligten des Verwaltungsrechtsstreits. Der Kostenerstattungsanspruch erfasst dem Grunde nach auch die eigenen Anwaltskosten. Der Anspruch ist aber - genau wie Ihr Kostenerstattungsanspruch gegenüber Ihrer Rechtsschutzversicherung - der Höhe nach auf den Betrag beschränkt, den Ihr Anwalt nach den gesetzlichen Gebührentatbeständen des RVG abrechnen kann. Ist Ihr Anwalt auf der Grundlage einer Vergütungsvereinbarung tätig geworden, wird er den Kostenerstattungsanspruch zunächst in voller Höhe gegenüber dem unterlegenen Beteiligten geltend machen. Auch hier kann allerdings der Fall eintreten, dass das auf Grundlage der Vergütungsvereinbarung berechnete Honorar die nach dem RVG berechneten und vom Gegner zu erstattenden Kosten übersteigt. Ihr Anwalt wird sich für die Begleichung des Differenzbetrages dann an Sie wenden. Das bedeutet, dass es auch im Fall des Obsiegens in einem gerichtlichen Verfahren bei Abrechnung des Anwaltshonorars auf der Grundlage einer Vergütungsvereinbarung dazu kommen kann, dass ein Teil des anwaltlichen Honorars aus eigener Tasche zu begleichen ist.


VI. Resümee

Ihre Rechtsschutzversicherung übernimmt Anwaltskosten nur im Umfang der nach den RVG abrechenbaren gesetzlichen Gebühren. Die von der Versicherung übernommenen Kosten sind daher automatisch der Höhe nach gedeckelt. Wenn Ihr Anwalt auf Grundlage einer Vergütungsvereinbarung abrechnet, stellen Sie sich daher trotz bestehenden Versicherungsschutzes darauf ein, einen Teil der entstehenden Anwaltskosten selbst tragen zu müssen. Um diese Kosten kalkulierbarer zu machen, fragen Sie Ihren Anwalt nach seiner Einschätzung der möglichen Höhe dieses Kostenteils. Die Begrenzung der Höhe der Kostenübernahme durch Ihren Versicherer heißt nicht, dass Sie auf Versicherungsschutz verzichten sollten. Ihre Versicherung wird immer noch einen erheblichen Kostenanteil übernehmen. Es ist jedoch im Fall eines Rechtsstreits vorteilhaft, die entstehenden Kosten realistisch kalkulieren zu können, um keine böse Überraschung zu erleben. Dieser Beitrag soll Sie dabei untertützen, durch gezielte Nachfragen diese Kosten im Vorfeld möglichst realistisch einschätzen zu können. Jedenfalls bei der Durchführung aufwendigerer Verfahren wird es ohne die Vorhaltung einer eigenen "Kriegskasse" auch im Fall bestehenden Versicherungsschutzes meist nicht gehen.

Foto(s): pixabay.com

Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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