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Update: Darf der IDO Interessenverband noch abmahnen?

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Seit Jahren beschäftigt der IDO Interessenverband für das Rechts- und Finanzconsulting deutscher Online-Unternehmen e. V. Online-Händler und Gerichte.

Der Unterzeichner hat diverse Händler, die vom IDO abgemahnt worden waren, vertreten. Aktuell liegt die Abmahnung eines Schmuckhändlers zur Bearbeitung vor. Gerügt werden hier eine fehlende Angabe des Handelsregisters sowie der Handelsregisternummer im Impressum, eine fehlende Verlinkung zur OS-Plattform sowie eine angeblich irreführende Angabe zum versicherten Versand der Produkte.

Der IDO Interessenverband mahnt flächendeckend und branchenübergreifend Online-Händler wegen leicht feststellbarer Wettbewerbsverstöße ab und führt Gerichtsverfahren wegen Unterlassungs- und Vertragsstrafeansprüchen durch.

Es werden insbesondere Händler abgemahnt, die auf den Portalen eBay, Amazon oder DaWanda bzw. eigenen Websites Produkte aus folgenden Bereichen anbieten und vertreiben:

  • Dekorations- und Bastelartikel
  • Elektro- bzw. Elektronikartikel
  • Kfz-Zubehör
  • Möbel
  • Münzen
  • Textilien
  • Sammlerartikel
  • Schmuck

In der Regel mahnt der IDO Interessenverband für das Rechts- und Finanzconsulting deutscher Online-Unternehmen e. V. folgende Verstöße ab:

  • Unzureichende Widerrufsbelehrungen/Widerrufsformulare
  • Fehlende Hinweise zum gesetzlichen Mängelhaftungsrecht
  • Fehlende Hinweise zur Speicherung des Vertragstextes
  • Fehlende Datenschutzerklärungen
  • Fehlende oder nicht klickbare Links auf die OS-Plattform
  • Fehlende/unzureichende Angaben zu Garantien
  • Angaben zum versicherten Versand
  • Angaben zu Lieferzeiten („in der Regel 2-3 Tage“)
  • Fehlende/unzutreffende Grundpreisangaben
  • Verstöße gegen die Preisangabenverordnung
  • Fehlende/unzureichende Textilkennzeichnungen

Die Verstöße sind rasch zu recherchieren und zu dokumentieren. Die vom IDO ausgesprochenen Abmahnungen sind überwiegend inhaltlich korrekt und grundsätzlich ernst zu nehmen. Wird keine Unterlassungserklärung abgegeben, gibt der IDO die Angelegenheiten an Rechtsanwälte ab, die dann Ansprüche gerichtlich geltend machen. Es gibt einzelne Urteile, in denen der IDO unterlag, da der geltend gemachte Anspruch nicht bestand oder es zu formellen Fehlern gekommen war.

In einigen Gerichtsentscheidungen wurden Zweifel daran angemeldet, ob der IDO Interessenverband für das Rechts- und Finanzconsulting deutscher Online-Unternehmen e. V. überhaupt zur Geltendmachung der Ansprüche berechtigt ist.

Warum das?

Der IDO Interessenverband für das Rechts- und Finanzconsulting deutscher Online-Unternehmen e. V. ist ein rechtsfähiger Verband zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen, für den das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb in § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG eine eigenständige Klagebefugnis vorsieht.

Die Regelung sieht allerdings einschränkend vor, dass nur solche Verbände klagebefugt sind, also Ansprüche geltend machen dürfen, denen „eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, wenn sie insbesondere nach ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande sind, ihre satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen und soweit die Zuwiderhandlung die Interessen ihrer Mitglieder berührt“.

In einigen Gerichtsentscheidungen wurde die Klagebefugnis des IDO thematisiert. Dies hat der IDO übrigens mit dem Verband Sozialer Wettbewerb gemein.

Das Landgericht Berlin verneinte in einer Entscheidung zunächst die Klagebefugnis des IDO Verbands, da es an der personellen Ausstattung zur Wahrnehmung der Interessen der Mitglieder fehle (LG Berlin, Urteil vom 04.04.2017, Az.; 103 O 91/16). Offenbar waren die Ausführungen der Anwälte des Verbands in dem Gerichtsverfahren nicht geeignet, das Gericht zu überzeugen. In einem weiteren Verfahren wurde dann mit Erfolg nachgebessert. Das Gericht gab seine ablehnende Haltung ausdrücklich auf und bejahte ebenso wie diverse andere Gerichte die Klagebefugnis des IDO (LG Berlin, Beschluss vom 09.05.2017, Az.: 103 O 34/17).

Das Landgericht München verneinte eine Aktivlegitimation des IDO in Bezug auf die Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber Münzhändlern und führte diesbezüglich aus (LG München I, Urteil vom 13.02.2017, Az.: 4 HKO 22005/16):

„Es wurde jedoch vom Antragsteller nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass er eine erhebliche Anzahl von Mitgliedern aufweist, die mit Münzen vergleichbaren Waren anbieten. Die als Anlage K. vorgelegte eidesstattliche Versicherung reicht hierfür nicht aus, da in ihr lediglich eidesstattlich versichert wird, dass dem Kläger 62 Unternehmen angehören, die „Sammelartikel“ vertreiben. Was diese Sammelartikel sein sollen, wird jedoch nicht dargelegt. Da man alles Mögliche sammeln kann, nicht nur Münzen, reicht dies zur Glaubhaftmachung der Antragsbefugnis des Antragstellers im vorliegenden Fall nicht aus.

Die als Anlagen (…) vorgelegten Internetausdrucke und die in der Sitzung vorgelegte nicht anonymisierte Mitgliederliste sind hierfür nicht ausreichend, da nicht hinreichend glaubhaft gemacht wurde, dass die dort genannten Mitunternehmen tatsächlich Mitglieder des Antragstellers sind. Eine dahingehend lautende eidesstattliche Versicherung oder ein sonstiger Nachweis wurde bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht vorgelegt, obwohl der Antragsgegner die Aktivlegitimation des Antragstellers bereits im Widerspruchsschriftsatz bestritten hat.“

Im Mai 2018 sprach das Landgericht Bonn dem IDO die Klagebefugnis ab (LG Bonn, Urteil vom 15.05.2018, Az.: 11 O 49/17). Es ging hier um Unterlassungsansprüche gegenüber einer Textil-Händlerin auf dem Portal DaWanda, die dort allerdings nur ein bzw. wenige Produkt(e) angeboten hatte.

Nach dem Vortrag der Händlerin hatte sie eine telefonische Befragung der 238 beim IDO angeblich als Textilhändler gelisteten Mitglieder vorgenommen bzw. versucht. Es hätten nur 46 Händler ihre Mitgliedschaft positiv bestätigt, wobei 19 davon angegeben hätten, vorher wegen einer Abmahnung an den IDO Geld bezahlt zu haben. 12 der erreichten Händler hätten angegeben, kein Mitglied beim IDO zu sein. Mehr als die Hälfte der gelisteten Mitgliedsunternehmen sei nicht erreichbar gewesen.

Das Gericht führte u. a. aus:

„Die Überzeugung, dass es dem Kläger vorliegend mit seinem Unterlassungsbegehren, dessen Streitwert er ursprünglich pauschal mit 8.000 € angegeben hat und das im Hinblick auf ein Angebot der Beklagten durch ein Mitglied ausgelöst wurde, nach der Struktur seiner Mitglieder um die ernsthafte kollektive Wahrnehmung von Mitgliederinteressen geht, vermochte die Kammer auch unter Berücksichtigung der ihr insoweit grsl. zustehenden Freibeweismöglichkeiten nicht gewinnen.

Für die Aktivlegitimation und Antragsbefugnis des Klägers besteht auch keine tatsächliche Vermutung, weil diese in anderen Verfahren von mehreren anderen Gerichten bei anderen Streitgegenständen bejaht wurde. Vielmehr ist entsprechend den gesetzlichen Vorgaben stets im Einzelfall zu prüfen, ob die vorstehend dargestellten Voraussetzungen des § 8 Abs.3 Nr. 2 UWG erfüllt sind.“

Der IDO legte Berufung gegen diese Entscheidung ein, nahm diese jedoch in der mündlichen Verhandlung vor dem OLG Köln am 02.11.18 zurück. Das OLG Köln hatte signalisiert, dass die Berufung voraussichtlich aufgrund fehlender Klagebefugnis abgewiesen werden würde.

Bedeutet das, dass der IDO Interessenverband für das Rechts- und Finanzconsulting deutscher Online-Unternehmen e. V. in Zukunft keine Unterlassungsansprüche mehr geltend machen darf und alle Gerichtsverfahren verlieren wird?

Leider nein. Vielmehr kommt es stets auf den Einzelfall an. Zu beachten ist einerseits die Branche, in der abgemahnt wird. Eine fehlende Klagebefugnis in einer Branche muss nicht zwingend eine fehlende Klagebefugnis auch in einer anderen Branche nach sich ziehen, da der IDO in dieser Branche möglicherweise über eine ausreichende Anzahl an Mitgliedern verfügt. Weiterhin ist es im Bereich des Möglichen, dass der IDO weitere Mitglieder auch in Bereichen, in denen die Mitgliederanzahl aktuell nicht ausreichend ist, werben kann.

Zudem sind Landgerichte oder Oberlandesgerichte nicht zwingend an die Entscheidungen anderer Landgerichte oder Oberlandesgerichte gebunden. Was in München richtig ist, kann in Hamburg falsch sein. 

Auch die mir aktuell vorliegende Abmahnung eines Schmuckhändlers zeigt, dass der IDO weiterhin am Markt tätig ist.

Mit folgenden Handlungsempfehlungen machen Abgemahnte des IDO nichts falsch:

Überprüfen Sie die Abmahnung genau bzw. holen Sie anwaltlichen Rat ein. Geben Sie auf keinen Fall überstürzt eine Unterlassungserklärung ab und lassen Sie sich nicht von den relativ geringen Abmahnkosten täuschen. Ihre Erklärung gilt grundsätzlich für eine Dauer von 30 Jahren. Wenn Sie gegen die Unterlassungserklärung verstoßen, wird eine Vertragsstrafe fällig, die im vier- bis fünfstelligen Euro-Bereich liegen kann. 

Nehmen Sie die Abmahnung zum Anlass, Ihren Shop überprüfen und absichern zu lassen. Ich verfüge über langjährige Erfahrung im Bereich E-Commerce und mit der Verteidigung gegen wettbewerbsrechtliche Abmahnungen.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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