Vorladung / Strafbefehl / Anzeige wegen des Tragens eines Judensterns mit der Aufschrift "ungeimpft"

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Judensterne mit der Inschrift „ungeimpft“ oder „nicht geimpft“ werden regelmäßig von Gegnern der Coronapolitik im Internet gepostet und auf Demonstrationen getragen. Gegen diese Praxis wollen Polizei und Staatsanwaltschaft nun verstärkt vorgehen. Die Strafgerichte sind sich aber bisher nicht einig, ob das Verwenden dieser Symbole strafbar ist.

Sind die Voraussetzung des Tatbestands der Volksverhetzung erfüllt?

Einige Stimmen sehen den Straftatbestand der Volksverhetzung (§ 130 Abs. 3 StGB) durch das Verwenden solcher adaptierter Judensterne als erfüllt an. § 130 Abs. 3 StGB stellt Äußerungen unter Strafe, durch die der Völkermord unter der NS-Herrschaft gebilligt, geleugnet oder verharmlost wird. Strafbar ist eine solche Äußerung aber nur dann, wenn diese geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu gefährden. Zudem hat immer eine Abwägung mit dem Grundrecht der Meinungsfreiheit zu erfolgen.

Unter Strafrechtlern wird insbesondere diskutiert, ob das Tragen von Judensternen mit bestimmten Inschriften eine Verharmlosung im Sinne des Tatbestandes der Volksverhetzung darstellt. Das Bundesverfassungsgericht hat in einer Entscheidung aus dem Jahr 2018 (BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 22. Juni 2018 – 1 BvR 2083/15) klargestellt, dass gerade bei einer Verharmlosung sehr genau geprüft werden muss, ob die Äußerung geeignet ist, um den öffentlichen Frieden zu stören.

Saarländisches Oberlandesgericht verneint Strafbarkeit

Genau dies wird auch in einer aktuellen Entscheidung des Saarländischen Oberlandesgerichtes aus dem Jahr 2021 (Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 08. März 2021 – Ss 72/2020 (2/21) deutlich. Das Gericht befasste sich dabei mit einem öffentlichen Facebook-Profil, auf welchem Bilder des Judensterns zu finden waren, auf denen das Wort „Jude“ durch die Wörter „nicht geimpft“, „AFD Wähler“, „SUV Fahrer“ und „Islamophob“ ersetzt wurde. Darin sah das Gericht zwar eine Verharmlosung der nationalsozialistischen Gräueltaten. Das Gericht erkannte aber keine Eignung der Äußerung zur Störung des öffentlichen Friedens. Zur Begründung führte der zur Entscheidung berufene Strafsenat an, dass die Äußerung unter Berücksichtigung von Art, Inhalt, Form und Umfeld nicht darauf gerichtet gewesen sei, zu etwaigen Gewalttaten oder Rechtsbrüchen anzustacheln oder die Hemmschwelle zur Begehung von Handlungen mit rechtsgutgefährdenden Folgen herabzusetzen. Die Verwendung und Instrumentalisierung des Judensterns allein sind nach Auffassung des Gerichts also nicht geeignet, um den öffentlichen Frieden zu stören.

Das Gericht verneint auch eine Strafbarkeit wegen Beleidigung (§ 185 StGB) zum Nachteil der jüdischen Staatbürger der Bundesrepublik Deutschland.


Bayerisches Oberstes Landesgericht nimmt die Strafbarkeit an

Das Bayerische Oberste Landesgericht kam in einer Entscheidung aus dem Jahr 2020 (BayObLG München, Beschluss v. 25.06.2020 – 205 StRR 240/20) in einem vergleichbaren Fall zu einem anderen Ergebnis.

In dem Verfahren ging es um ein Plakat, das von dem Angeklagten im Rahmen eines AfD-Parteitags in die Höhe gehalten wurde. Dieses war für alle Personen, die sich auf dem Gelände und dessen Umgebung befanden, gut sichtbar. Auf diesem Plakat war der Schriftzug „Hetze in Deutschland“ zu lesen. Darunter befand sich auf der linken Plakathälfte ein gelber Judenstern und der Zeitraum „1933 - 1945“. Auf der rechten Plakathälfte war das AfD-Logo sowie der Zeitraum „2013 - ?“ zu erkennen. Der Angeklagte veröffentliche das gleiche Motiv auch auf der Plattform Twitter.

Nach Auffassung des Gerichts hat der Angeklagte durch das Plakat und den Beitrag auf Twitter die nationalsozialistischen Verbrechen verharmlost, indem er die Stimmung gegen die AfD und ihre Mitglieder mit dem nationalsozialistischen Völkermord verglichen hat. Die mit der Entscheidung befassten Richter nahmen auch an, dass die Äußerungen geeignet waren, den öffentlichen Frieden zu gefährden. Das Gericht begründet dies mit der in diesem Fall bestehenden Breitenwirkung der Verharmlosung, die zur Vergiftung des politischen Klimas geeignet ist. Diese Vergiftung ist Folge des vom Angeklagten ausgehenden Umgangs mit der Würde und dem Ansehen der Überlebenden sowie der Ermordeten und ihrer Angehörigen. Eine gegen das Urteil erhobene Verfassungsbeschwerde wurde vom Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen.

Die aufgezeigten Urteile machen deutlich, dass die Rechtsprechung zur Strafbarkeit des Verwendens adaptierter Judensterne bisher nicht einheitlich ist und es auf den jeweiligen Einzelfall ankommt. Es bleibt zu hoffen, dass die Strafgerichte in naher Zukunft klare und eindeutige Leitlinien zu dieser umstrittenen Frage entwickeln.



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