Vorläufige Festnahme und "U-Haft"

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Wenn man mit Mandanten redet, steht zwangsläufig immer wieder die Frage im Raum: „Muss ich ins Gefängnis?“

Diese Frage ist verständlich und berechtigt. Der Freiheitsentzug ist die wohl härteste Maßnahme, die unsere Rechtsordnung vorsieht.

Die erste dringende Frage als Verteidiger ist zunächst aber nicht immer das Ergebnis des Strafverfahrens, an dessen Ende eine Freiheitsstrafe stehen könnte. Denn selbst im Fall einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe ist es sehr oft möglich, „Bewährung“ zu erreichen. Es gibt viele Schrauben, an denen man drehen kann, um die Strafe zu mildern und die „positive Legalprognose“ (oft auch: „Sozialprognose“) herzustellen.

Juristisch exakt formuliert gibt es übrigens gar keine „Bewährungsstrafe“. Der/die Angeklagte wird genau genommen „ganz normal“ zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Aber: Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe wird in diesen Fällen „zur Bewährung ausgesetzt“.

Das bedeutet, gegen den/die Verurteilte/n wird eine Freiheitsstrafe verhängt, z. B. in Höhe von 1 Jahr. Ab Rechtskraft des Urteils muss sich der/die Verurteilte dann 2 bis 5 Jahre bewähren. Wenn dies gelingt, so muss die Strafe nicht angetreten werden.

Die am Anfang des Verfahrens dringende Problematik dagegen, insbesondere bei schwerwiegenden Tatvorwürfen, ist die Möglichkeit, dass der Mandant in „U-Haft“ muss. Also, dass gegen den Beschuldigten Untersuchungshaft angeordnet wird.

Wieder „kurz & knapp“ erläutere ich Ihnen hier die Begriffe „(vorläufige) Festnahme“ (1.), „U-Haft“ (2.) und allgemein gesprochen, was regelmäßig zunächst zu tun ist (3.).

1. (Vorläufige) Festnahme

Die vorläufige Festnahme ist möglich, wenn jemand auf frischer Tat betroffen oder verfolgt wird, und wenn er der Flucht verdächtig ist oder seine Identität nicht sofort festgestellt werden kann.

In diesem Fall ist tatsächlich jedermann befugt, jemanden auch ohne richterliche Anordnung vorläufig festzunehmen. Das ergibt sich aus § 127 der Strafprozessordnung.

Spätestens am Tag nach der der Festnahme ist der Beschuldigte jedoch dem Haftrichter (streng genommen: Ermittlungsrichter) vorzuführen. Das bedeutet, dass eine vorläufige Festnahme nicht länger als bis zum Folgetag, 24:00 Uhr, aufrecht erhalten werden darf.

2. Untersuchungshaft („U-Haft“)

Die Untersuchungshaft ist deswegen besonders einschneidend, da diese nicht der Strafe dient. Der Zweck der Untersuchungshaft ist die Sicherung des Verfahrens. Das bedeutet, dass der/die Beschuldigte in diesen Fällen als vor dem Gesetz als unschuldig geltend, dennoch in Haft genommen wird.

Im Fall einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe wird jedoch die erlittene Untersuchungshaft angerechnet.

Insbesondere beim Verdacht schwerer Straftaten wird die Staatsanwaltschaft regelmäßig einen Haftbefehlsantrag stellen.

Der Ermittlungsrichter/Haftrichter entscheidet dann darüber.

Grundsätzlich sind für die Anordnung der Untersuchungshaft folgende Voraussetzungen erforderlich:

a) Dringender Tatverdacht: 

Dieser liegt vor, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen eine große Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Beschuldigte als Täter oder Teilnehmer die vorgeworfene Straftat begangen hat.

b) Mindestens ein Haftgrund:

Hier kommen insbesondere Flucht, Fluchtgefahr, Verdunkelungsgefahr (alsodass der Beschuldigte etwa Zeugen oder sonstige Beweismittel beeinflusst) und Wiederholungsgefahr in Betracht. 

Problematisch ist hier häufig der Haftgrund der Fluchtgefahr, die angenommen wird, wenn die überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür gegeben ist, dass sich der Beschuldigte dem Verfahren entzieht. Hier kann nur eine Prognoseentscheidung getroffen werden.

c) Verhältnismäßigkeit

Es wird überprüft, ob der Freiheitsentzug für den Beschuldigten in Anbetracht der Aktenlage unverhältnismäßig erscheint.

Liegen nach Auffassung des Ermittlungsrichters diese Voraussetzungen vor, wird der Haftbefehl erlassen.

Hier ist, selbst wenn der Haftbefehl erlassen wird, oft noch die Möglichkeit gegeben, durch weniger einschneidende Maßnahmen das Ermittlungsverfahren abzusichern, etwa durch eine Meldeauflage, Abgabe von Ausweisdokumenten, etc. Der Haftbefehl wird dann zwar erlassen, aber nicht in Vollzug gesetzt.

Wird der Haftbefehl erlassen und in Vollzug gesetzt, gibt es die Möglichkeit, sich mit Haftprüfung und Haftbeschwerde zur Wehr zu setzen.

3. Allgemeines

Als Beschuldigter muss Ihnen klar sein, dass Sie sich wirklich allerspätestens im Falle einer Festnahme oder wenn Ihnen ein Verbrechenstatbestand (Mindeststrafe 1 Jahr oder mehr, wie etwa Raub, räuberische Erpressung, Vergewaltigung, schwerer Betrug, Mord/Totschlag, unerlaubter Drogenbesitz/Handel bei einer nicht geringen Menge etc.) zur Last gelegt wird, umgehend an einen Strafverteidiger wenden sollten.

Wenn Ihnen etwa ein Verbrechenstatbestand zur Last gelegt wird, haben Sie zudem das Recht auf einen Verteidiger („Pflichtverteidiger“). Das ergibt sich aus § 140 der Strafprozessordnung (sog. „notwendige Verteidigung“). Diesen notwendigen Verteidiger/“Pflichtverteidiger“ können Sie übrigens selbst auswählen. Ich übernehme auch notwendige Verteidigungen/Pflichtverteidigungen.

Angaben, die Sie ohne Aktenkenntnis machen, können das weitere Verfahren für Sie erheblich erschweren, wenn z. B. Widersprüche zu anderen Zeugenaussagen entstehen. Daher sollten Sie normalerweise, bevor Sie sich nicht mit Ihrem Verteidiger besprochen haben, keine Angaben zum Tatvorwurf machen.

Auch wenn Sie die zur Last gelegte Tat nicht begangen haben, haben Sie keine Garantie, dass dies auch die Ermittlungsbehörden so sehen.

Daher ist es der/dem Beschuldigten fast immer anzuraten, sich über einen Rechtsanwalt möglichst frühzeitig Akteneinsicht zu erbeten damit es möglich ist, sich fundiert mit dem Tatverdacht und wie dieser entstanden ist, auseinanderzusetzen.

Erst danach kann die Sach- und Rechtslage professionell eingeschätzt werden. Im Anschluss daran ist dann auch eine gute schriftliche Stellungnahme möglich oder es kann angezeigt sein, weiter vom Schweigerecht Gebrauch zu machen.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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