Auswirkungen des Coronavirus auf das Gewerberaummietrecht

  • 4 Minuten Lesezeit

Coronavirus und Gewerberaummietrecht

1. Mietminderung und Kündigung

Hat der Mieter das Recht zur Mietminderung oder gar Kündigung, wenn der Mietbereich aufgrund behördlicher Anordnung nicht genutzt werden kann oder das Ladengeschäft zu schließen ist?

a) Der BGH hat erst jüngst in einer Entscheidung (Urteil vom 23.10.2019 – XII ZR 125/18) erneut darauf hingewiesen, dass nach ständiger Rechtsprechung des BGH im Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter grundsätzlich der Mieter das Verwendungsrisiko bezüglich der Mietsache trägt (Urteil vom 25.11.2015 – XII ZR 114/14). Dies gilt im Übrigen auch für das Risiko, mit der Mietsache Gewinne/Umsätze zu generieren, also für das Risiko der Wirtschaftlichkeit des Gewerbebetriebs (Gewinnerzielungsrisiko).

Allerdings – so auch der BGH (aaO) – können die Parteien die Risikoverteilung vertraglich ändern und vereinbaren, dass der Vermieter das Verwendungsrisiko des Mieters – ganz oder zum Teil – übernimmt. Ob das der Fall ist, ist durch Auslegung der getroffenen Vertragsvereinbarungen zu ermitteln (Urteil vom 16.02.2000 – XII ZR 279/97).

b) Wenn Geschäfte oder Gewerbebetriebe aufgrund behördlicher Anordnung nicht mehr genutzt werden können oder zu schließen sind, stellt dies daher im Regelfall kein Mangel der Mietsache dar, der zur Mietminderung berechtigt, sondern es verwirklicht sich in einem solchen Fall das gesetzlich dem Mieter zugewiesene Verwendungsrisiko, insbesondere wenn die Betriebseinschränkung durch die behördliche Anordnung ihre Ursache in der Art des Geschäftsbetriebs des Mieters hat.

Vorrangig ist allerdings immer der jeweilige Miet- oder Nutzungsvertrag danach zu prüfen, welche Regelungen dieser zum Nutzungs-/Verwendungszweck und zur Risikoverteilung enthält.

Eine andere Rechtsfolge (zugunsten des Mieters) ist denkbar, wenn es andere vertragliche Regelungen bzw. Risikoverteilungen gibt oder wenn aufgrund der behördlichen Anordnung der Vermieter seinerseits nicht mehr in der Lage ist, den vertraglichen beschriebenen Gebrauch der Mietsache zur Verfügung zu stellen, wobei behördliche Anordnungen und Verfügungen nur dann einen Mangel der Mietsache darstellen, wenn sie ihren Grund im Mietobjekt selbst oder dem unmittelbaren Umfeld haben.

c) Wenn sich durch die Schließung oder Nutzungsuntersagung des Ladengeschäfts nur das mit dem Mietvertrag für den Mieter verbundene Risiko, das Mietobjekt nicht oder nur eingeschränkt so wie beabsichtigt nutzen zu können (Verwendungsrisiko), verwirklicht, fällt dies allein in die Risikosphäre des Mieters, womit diesem damit unter diesem Gesichtspunkt auch kein Recht zur außerordentlichen Kündigung des Mietvertrags nach § 543 Abs. 1 BGB zusteht (vgl. BGH aaO).

2. Aussetzung/Kürzung der Mietzahlung und Vertragsanpassung

Kann der Mieter aufgrund der behördlichen Nutzungsuntersagung bzw. Anordnung zur Schließung des Ladengeschäfts eine Anpassung der vertraglichen Regelungen vom Vermieter durch Aussetzung oder Stundung der Mietzahlungspflicht verlangen?

a) Anpassung/Kündigung wegen Wegfalls oder Veränderung der Geschäftsgrundlage

Nach § 313 Abs. 1 BGB kann jede Vertragspartei eine Anpassung des Vertrages verlangen, wenn sich die Umstände, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben. Ist eine Anpassung nicht möglich, kommt sogar auch eine Kündigung in Betracht, wobei eine Vertragsanpassung als milderes Mittel gegenüber einer Kündigung/Vertragsauflösung wegen der Veränderung oder des Wegfalls der Geschäftsgrundlage allerdings immer vorrangig in Betracht kommt.

Die Geschäftsgrundlage wird aus den gemeinschaftlichen Vorstellungen beider Parteien gebildet, wobei Beurteilungsmaßstab dabei insbesondere die gesetzliche und vertragliche Risikoverteilung der Parteien ist. Die Geschäftsgrundlage entfällt u. a. dann, wenn eine tatsächliche Entwicklung eintritt, die von beiden Parteien nicht vorhergesehen worden ist. Eine Anpassung/ Kündigung scheidet allerdings dann aus, wenn der Kündigungs- bzw. Anpassungsgrund zum Risikobereich der die Anpassung (Kündigung) verlangenden Partei (Mieter) gehört, weil die vertragliche Risikoverteilung von einer geänderten Geschäftsgrundlage unberührt bleiben muss.

b) Störung der Geschäftsgrundlage gerade durch Extremsituationen wie COVID-19-Pandemie

Auch wenn der Mieter grundsätzlich das Verwendungsrisiko der Mietsache zu tragen hat und an die Annahme einer Änderung der gesetzlichen Risikoverteilung strenge Anforderungen zu stellen ist, wird man bei einer aufgrund behördlicher Anordnung beruhenden Nutzungsuntersagung oder Geschäftsschließung mit sehr guten Gründen die Auffassung vertreten können, dass bei der jetzigen Corona-Krise bzw. COVID-19-Pandemie die Voraussetzungen für eine Vertragsanpassung aufgrund Wegfalls bzw. Veränderung der Geschäftsgrundlage vorliegen, und somit deren wirtschaftlichen und finanziellen Folgen nicht allein dem das Verwendungsrisiko tragenden Mieter aufzubürden sind.

Anders als bei dem allgemeinen unternehmerischen Risiko des Mieters liegt in der Corona-Pandemie eine Situation vor, die mit den von der Rechtsprechung anerkannten Fallgruppe einer sogenannten Äquivalenzstörung durchaus vergleichbar ist (z. B. bei nicht vorhersehbaren übermäßigen Beschaffungsschwierigkeiten oder schwerwiegenden Störungen durch Maßnahmen staatlicher Wirtschaftslenkung), zumal es sich hier um eine Situation handelt, die außerhalb jeglichen Einflussbereichs des Mieters liegt und die die Gesamtbevölkerung der Bundesrepublik Deutschland wenn nicht gar der gesamten Weltgemeinschaft betrifft, also eine absolute Ausnahmesituation völlig losgelöst vom vertraglichen Mietzweck oder der Person des Mieters.

Da die aktuelle Situation zu flächendeckenden Geschäftsschließungen für einen noch gar nicht absehbaren Zeitraum mit unvorhersehbaren Veränderungen der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse führt und der Wegfall der Verwendungsmöglichkeiten der Mietsache durch objektive Umstände begründet ist, die auch jeden anderen Mieter an der Nutzung hindern würden, dürften durch die von der Corona-Pandemie veranlassten staatlichen Handlungen und behördlichen Anordnungen die Voraussetzungen für eine Vertragsanpassung durch Veränderung bzw. Wegfall der Geschäftsgrundlage vorliegen.

Durch die Corona-Pandemie verwirklicht sich somit ein nicht im Risiko der Mietvertragsparteien liegendes, sondern vielmehr übergeordnetes, die gesamte Solidargemeinschaft insgesamt treffendes allgemeines Lebensrisiko, was die Möglichkeit einer Vertragsanpassung des zwischen den Mietvertragsparteien abgeschlossenen Miet-/Nutzungsvertrages eröffnet.

c) Inhalt der Vertragsanpassung durch Veränderung der Geschäftsgrundlage

Inwieweit der jeweilige Nutzungs- oder Mietvertrag anzupassen ist, ist eine Frage des Einzelfalles, der zwischen den Mietvertragsparteien verhandelt werden sollte bzw. muss, anderenfalls hierüber im Einzelfall durch die Gerichte entschieden werden müsste, was nicht im Sinne der nach Überwindung der Corona-Krise weiter durch den Vertrag verbundenen Parteien sein kann.



Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Michael Stamm

Beiträge zum Thema