Deutsche Erbschaftsteuer: Der Fiskus und die Erben deutscher Auswanderer

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Tausende Deutsche haben Deutschland den Rücken gekehrt, sind nach Thailand ausgewandert und leben dort in glücklicher Beziehung zu Land und Leuten. Viele Auswanderer freuen sich, wenn sie mit diesem Schritt nicht nur dem deutschen Wetter entkommen sind, sondern anscheinend auch dem deutschen Fiskus. Viele Mandanten berichten glücklich, dass sie die Tatsachen für die Annahme einer beschränkten Steuerpflicht geschaffen und dem deutschen Fiskus auf diesem Weg vermeintlich ein Schnippchen geschlagen haben. Hier lohnt sich genaueres Hinsehen. 

Da sich die meisten der bisherigen Beiträge der BaumgartenBrandt (Asia) Ltd. auf dem Online-Profil bei anwalt.de mit Erbrecht beschäftigen, liegt es nahe, den Blick zunächst auf die Erbschaftsteuer zu lenken, genauer auf Voraussetzungen und Rechtsfolgen der unbeschränkten, der erweitert unbeschränkten sowie der beschränkten und erweitert beschränkten Erbschaftsteuerpflicht.

Unbeschränkte Einkommensteuerpflicht setzt einen Wohnsitz oder einen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland voraus und bedeutet, dass der deutsche Einkommensteuersatz auf Basis der weltweiten Einkünfte zur Anwendung kommt. 

Beschränkte Einkommensteuerpflicht liegt vor, wenn weder ein Wohnsitz noch ein gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland gegeben ist. In diesem Fall werden nur Einkünfte aus deutschen Quellen besteuert. 

Bezogen auf die Besteuerung im Fall eines Erwerbs von Todes wegen findet dieselbe Unterscheidung statt. § 2 I ErbStG:

„Die Steuerpflicht tritt ein

1.
(...) wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes (...) oder der Erwerber zur Zeit der Entstehung der Steuer (...) ein Inländer ist, für den gesamten Vermögensanfall (unbeschränkte Steuerpflicht). Als Inländer gelten

a) natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder Ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, 

b) deutsche Staatsangehörige, die sich nicht länger als fünf Jahre dauernd im Ausland aufgehalten haben, ohne im Inland einen Wohnsitz zu haben,

c) unabhängig von der Fünfjahresfrist nach Buchstabe b deutsche Staatsangehörige, die 

aa) im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben und

bb) zu einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts in einem Dienstverhältnis stehen und dafür Arbeitslohn aus einer inländischen öffentlichen Kasse beziehen, (...)“

Über die den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt voraussetzende unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht hinaus gilt für deutsche Staatsangehörige gemäß § 2 I Nr. 1 b) eine erweitert unbeschränkte Steuerpflicht für den Zeitraum von fünf Jahren nach einem Wegzug aus Deutschland. 

Liegen die Voraussetzungen des § 2 I ErbStG nicht vor, tritt die Steuerpflicht grds. nur für Vermögensanfall ein, der in Inlandsvermögen im Sinne des § 121 des Bewertungsgesetzes besteht (beschränkte Steuerpflicht). Gemäß § 121 Nr. 2 BewG gehört Grundvermögen in Deutschland zum Inlandsvermögen. Bankkonten bei deutschen Bankfilialen gehören dagegen nicht zum Inlandsvermögen. 

Auf Antrag des Erwerbers kann ein Vermögensanfall insgesamt als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt werden, wenn der Erblasser zu der Zeit seines Todes oder der Erwerber zur Zeit der Entstehung der Steuer seinen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat der EU oder des EWR hat. 

Im Fall der unbeschränkten Steuerpflicht 

  • unterliegt der weltweite Vermögensanfall der deutschen Erbschaftssteuer, gleichgültig ob sich das Vermögen im In- oder Ausland befindet (Weltvermögensprinzip),
  • bleibt gemäß § 16 I Nr. 1 ErbStG der Erwerb des Ehegatten i.H.v. EUR 500.000 steuerfrei. Der Freibetrag einer Lebensgefährtin beliefe sich im Fall unbeschränkter Steuerpflicht dagegen gemäß § 16 I Nr. 7 ErbStG auf EUR 20.000.

Im Fall der beschränkten Steuerpflicht beträgt der Freibetrag gemäß § 16 II dagegen nur EUR 2.000.

Bei den o. g. Freibeträgen im Rahmen der Erbschaftssteuer i.H.v. EUR 500.000, EUR 20.000, EUR 2.000 handelt es sich um sog. allgemeine Freibeträge. Je nach Verwandtschaftsgrad gibt es weitere Freibeträge, z. B. für Hausrat, Grundbesitz, Kunstgegenstände etc., deren Höhe ebenfalls von dem Verwandtschaftsverhältnis zwischen Erbe und Erblasser abhängt. 

Unbeschränkt Erbschaftsteuerpflichtigen steht also in Abhängigkeit ihres Verwandtschaftsverhältnisses zum Erblasser ein Freibetrag zwischen EUR 20.000 und EUR 500.000 zu. Für beschränkt Erbschaftsteuerpflichtige kommt dagegen lediglich ein Freibetrag i.H.v. EUR 2.000 zur Anwendung. Der deutsche Gesetzgeber hat allerdings eine Wahlmöglichkeit eingeführt, sodass der Erbe sich für die unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht entscheiden kann. Allerdings ist dann auf den weltweiten Erwerb deutsche Erbschaftsteuer zahlen. Zudem besteht dieses Wahlrecht nur, wenn entweder der Erblasser oder der Erbe zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers über einen Wohnsitz in der EU oder einem EWR-Staat verfügt. 

Im Rahmen der Rechtsberatung wäre regelmäßig zu prüfen, ob eine Heirat und die Begründung eines Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts in Deutschland zur Inanspruchnahme des Freibetrags von EUR 500.000 für eine Schenkung Vorteile bringen würde. Nach Ablauf von 10 Jahren könnte der Freibetrag für eine weitere Teilschenkung oder dann eben für die Erbschaft nochmals in Anspruch genommen werden. 

Eine weitere Rechtsfolge der Unterscheidung zwischen unbeschränkter und beschränkter Erbschaftsteuerpflicht besteht in Hinblick auf den Schuldenabzug, der im Fall beschränkter Steuerpflicht nur insoweit zulässig ist, als die Schulden in wirtschaftlichem Zusammenhang mit dem Inlandsvermögen stehen und eben dieses belasten. 

Gemäß § 4 I AStG gilt eine erweitert beschränkte Steuerpflicht über die in § 2 I Nr. 3 ErbStG i.V.m. § 121 BewG erfassten Vermögensgegenstände hinaus. Betroffen sind insbesondere 

  • Kapitalforderungen gegen Schuldner in Deutschland,
  • Spareinlagen und Bankguthaben bei Geldinstituten in Deutschland.

Diese Regelung findet keine Anwendung, sobald seit dem Wegzug aus Deutschland mindestens zehn Jahre vergangen sind oder wenn der Erblasser in dem Zehnjahreszeitraum vor dem Wegzug nicht mindestens fünf Jahre unbeschränkt steuerpflichtig war. Weitere Voraussetzung für die erweiterte beschränkte Steuerpflicht ist, dass

  • noch „wesentliche wirtschaftliche Interessen“ in Deutschland bestehen und
  • Thailand ein Niedrigsteuerland ist. 

Da Deutsche in den ersten fünf Jahren nach ihrem Wegzug aus Deutschland gemäß § 2 I Nr. 1 b) der erweitert unbeschränkten Steuerpflicht unterliegen, ist der Anwendungsbereich der erweitert beschränkten Steuerpflicht gemäß § 4 AStG auf den Zeitraum vom Beginn des 6. bis zum Ablauf des 10. Jahres, das auf den Wegzug folgt, beschränkt.

Hier finden Sie weitere Rechtstipps zum Thema:

https://www.anwalt.de/rechtstipps/erbschaft-in-thailand-die-fuer-deutsche-erben-relevante-rechtslage_029369.html
https://www.anwalt.de/rechtstipps/deutsches-oder-thailaendisches-testament_092588.html
https://www.anwalt.de/rechtstipps/erbschaft-thailand-probleme-beim-erbscheinsverfahren-in-der-schweiz_093511.html


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