Flüchtlingseigenschaft und subsidiärer Schutz – zu den Unterschieden von § 3 und § 4 AsylG

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Stellt ein Mensch, der vor Krieg, Verfolgung, Folter oder anderen schweren Beeinträchtigungen für Leben und Gesundheit flieht, in Deutschland einen Antrag auf Asyl, dann prüft das zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge auf 4 sog. Schutzformen oder Schutzstatus – Asylberechtigung, Flüchtlingseigenschaft, subsidiärer Schutz und nationale Abschiebungsverbote. Der Asylanspruch ist die „stärkste“ Schutzform und stellt ein Individual-Grundrecht nach Artikel 16a Grundgesetz dar. Mit „absteigender“ Reihenfolge sind die anderen 3 Schutzformen (Flüchtlingseigenschaft, subsidiärer Schutz, nationale Abschiebungsverbote) weniger „stark“ in dem Sinn, dass diese weniger Rechte sowie Zugangsmöglichkeiten zu Bildung, zum Arbeitsmarkt, zu Sozialleistungen besitzen oder die Familienzusammenführung ermöglichen.

Schutzform entscheidet über Schicksal der Geflüchteten

Je nach Schutzform entscheidet sich dann auch, wie lange der Geflüchtete in Deutschland bleiben kann und wie seine Zukunfts- und eventuelle Bleibeperspektiven sein können. Allgemein lässt sich sagen: Je „schwächer“ der Schutzstatus bzw. die Schutzform, desto weniger Zugang und Rechte bestehen und desto schwieriger ist die Bleibe-Perspektive.

Zwar bietet die Anerkennung als Asylberechtigter die meisten Rechte und den besten Zugang, jedoch wurde in den letzten Jahren in weniger als 1 % aller Fälle überhaupt dieser Schutzstatus zuerkannt. Nicht zuletzt durch die drastische Verschärfung des Asylrechts in den 1990er Jahren, spielt dieser Schutzstatus heute nur noch eine marginale Rolle.

In der aktuellen Entscheidungspraxis des BAMF spielt aber die Unterscheidung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG und/oder des subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG eine, wenn nicht die, entscheidende Rolle. Doch worin bestehen genau Unterschiede bei Zuerkennung der beiden Schutzformen und bei Zugang zur sozialen und gesellschaftlichen Teilhabe.

Wer wird als Flüchtling anerkannt?

Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist in §§ 3 bis 3e AsylG geregelt. Ihren internationalen Ursprung hat die Regelung über die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Abkommen über die Rechtsstellung von Flüchtlingen –  oder auch Genfer Flüchtlingskonvention – vom 28. Juli 1951. Dieses internationale Abkommen und dessen Inhalte wurde mit Einführung der § 3 AsylG, § 4 AsylG und der EU-Qualifikationsrichtlinie umgesetzt.

Wenn ein geflüchteter Mensch die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 AsylG erfüllt, wird ihm die Flüchtlingseigenschaft als eigenständiger Schutzstatus durch das BAMF zuerkannt. Dem Geflüchteten muss Verfolgung drohen, die in einem bestimmten Merkmal seiner Person oder Zugehörigkeit zu einer Gruppe oder Gemeinschaft liegt. Diese Merkmale der Personen können nach Abs. 1 in der Rasse, der Religion, der Nationalität, der politischen Überzeugung oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe liegen. Die in Abs. 1 nur kurz genannten Verfolgungsgründe werden in § 3b AsylG konkretisiert.

Was heißt begründete Furcht?

Um eine Prognose treffen zu können oder einen Maßstab dafür zu haben, wie wahrscheinlich eine Verfolgung im Heimatland des Geflüchteten ist, ist die begründete Furcht ein Kriterium von praktischer Bedeutung bei der Flüchtlingsanerkennung. Die subjektiv empfundene und individuelle Furcht muss sich auf objektive Tatsachen stützten, damit sie begründet werden kann. Somit lässt sich fragen, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, im Heimatland von einer Verfolgungshandlung aufgrund eines Verfolgungsgrundes verfolgt zu werden.

Bei der individuellen Furcht können Indizien sein, ob der Geflüchtete schon verfolgt wurde oder ob ihm Verfolgung unmittelbar gedroht hat, ob Angehörige, Verwandte, Freunde oder Mitglieder einer z. B. ethnischen, religiösen, politischen oder sozialen Gruppe schon verfolgt worden sind oder werden.

Wann die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ausgeschlossen ist

§ 3 Abs. 2 bis § 4 AsylG stellt einige grundlegende Kriterien auf, wann die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft schon von vornherein ausgeschlossen ist. Dies ist unter anderem der Fall, wenn der Geflüchtete Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder eine schwere nichtpolitische Straftat begangen hat. Auch bei Handlungen gegen die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen kann die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ausgeschlossen sein.

Wer wird als subsidiär schutzberechtigt anerkannt?

Scheidet die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aus, weil etwa keine Verfolgungshandlung oder kein Verfolgungsgrund vorliegt oder anerkannt wurde, prüft das BAMF im Asylverfahren, ob dem Geflüchteten der subsidiäre Schutz nach der EU-Qualifikationsrichtlinie und § 4 AsylG zuerkannt werden kann.

Der subsidiäre Schutz wird dem Geflüchteten erteilt, wenn bei der Rückkehr in das Heimatland die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens droht, § 4 Abs. 1 AsylG. Dieser Schaden liegt z. B. bei Vollstreckung/Verhängung der Todesstrafe, Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung, oder dann, wenn durch willkürliche Gewalt eine Bedrohung für das Leben oder die körperliche Unversehrtheit des Geflüchteten droht, vor.

Einen bestimmten Verfolgungsgrund, wie bei der Asylberechtigung oder der Zuerkennung des Flüchtlingsschutzes, setzt die Erteilung des subsidiären Schutzes nicht voraus.

Subsidiär – nachgeordneter oder ergänzender Schutz

Das Wort „subsidiär“ bedeutet in dem Zusammenhang der Schutzgewährung „nachgeordnet“ oder „ergänzend“. Der subsidiäre Schutz ergänzt damit schon begrifflich die Asylberechtigung und die Flüchtlingszuerkennung als dritte Säule der Schutzformen und wird oft nur dann erteilt, wenn die anderen Schutzformen nicht zuerkannt werden können (nachgeordneter Schutz). Teilweise wird der subsidiäre Schutz aber auch gemeinsam mit der Flüchtlingszuerkennung erteilt (dann kann man von einem ergänzenden Schutz sprechen).

Subsidiärer Schutz setzt keine systematischen Verfolgungsgründe voraus

Der grundlegende Unterschied bei der Erteilung von subsidiärem Schutz und Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, liegt in der Frage, ob eine systematische Verfolgung aufgrund von bestimmten Verfolgungsgründen vorliegt. Wenn Kriegsdienstverweigerer in Syrien systematisch verfolgt, bestraft und gegen sie möglichweise sogar die Todesstrafe verhängt wird, dann liegt zwar mindestens auch die Gefahr eines ernsthaften Schadens vor (wie die Regelung zur Erteilung des subsidiären Schutzes dies fordert), aber auch eine solche Verfolgung, vor, der die Regelungen über den Flüchtlingsschutz geflüchtete Menschen schützen sollen.

Unterschiede bei Aufenthaltstitel, Zeitraum der Schutzgewährung und Bleibeperspektiven

Anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte erhalten Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 2 Satz 1 AufenthG. Somit bekommen sie zwar beide den Aufenthaltstitel nach der gleichen gesetzlichen Regelung, dies sagt aber nichts über den Zeitraum der Schutzgewährung aus. Einschlägig ist dafür § 26 Abs. 1 Satz 2 und 3 AufenthG. Danach wird anerkannten Flüchtlingen der Aufenthaltstitel für 3 Jahre, subsidiär Schutzberechtigten jedoch nur für 1 Jahr erteilt. Für subsidiär Schutzberechtigte kann der Aufenthaltstitel jeweils um weitere 2 Jahre verlängert werden. Die unterschiedliche Behandlung der beiden Schutzformen bzw. die Privilegierung bei anerkannten Flüchtlingen, wird häufig kritisiert und ist nur schwer haltbar.

Hinsichtlich der Bleibeperspektive werden anerkannte Flüchtlinge ebenso privilegiert.

Ihnen kann bereits nach 3 bzw. 5 Jahren eine Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 3 Satz 1 oder Satz 3 AufenthG erteilt werden. Für subsidiär Schutzberechtigte ist die Erlangung einer Niederlassungserlaubnis gem. § 26 Abs. 4 i.Vm. § 9 Abs. 2 AufenthG frühestens nach 5 Jahren möglich.

Hier gibt es regelmäßig zwei große Hürden:

Der Lebensunterhalt muss vollständig gesichert werden. Die Erleichterungen des § 26 Abs. 3 AufenthG, wonach der Lebensunterhalt nur überwiegend (mehr als 50 %) gesichert werden muss, sind auf subsidiär Schutzberechtigte nicht anwendbar.

Das größere Problem ist jedoch der Nachweis einer angemessenen Altersvorsorge gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG. Dazu sind grundsätzlich 60 Monate an Rentenversicherungsbeiträgen nachzuweisen. Das bedeutet, der Antragsteller muss mindestens fünf Jahre oberhalb der Minijobgrenze gearbeitet haben, wenn er die angemessene Altersvorsorge nicht anderweitig nachweisen kann.

Zugang zu Bildung, Arbeitsmarkt und Sozialleistungen

Bei Zugang zu Bildung/Ausbildung/Studium, Arbeitsmarkt und Sozialleistungen bestehen zwischen anerkannten Flüchtlingen und subsidiär Schutzberechtigten keine Unterschiede. Bei beiden Schutzformen ist die Erwerbstätigkeit und die Ausübung einer Selbstständigkeit gestattet.

Unterschiede bei Nachzug der Familien

Ein gravierender Unterschied besteht bei der Möglichkeit des Familiennachzugs. Für anerkannte Flüchtlinge ist der Nachzug der Familien gem. § 29 Abs. 2 AufenthG grundsätzlich möglich.

Seit August 2018 ist der Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte stark eingeschränkt worden, da die Erteilung der benötigten Visa monatlich auf 1.000 begrenzt ist und bestimmte humanitäre Gründe voraussetzt (wie diese Regelung ausgestaltet ist und warum diese Lösung kritisch zu sehen ist, lesen Sie in meinem Rechtstipp vom 21.03.2019).

Eine ausführliche Version dieses Rechtstipps mit weiteren Beispielen, insbesondere zur Rechtsprechung des OVG Niedersachen zu syrischen Wehrpflichtverweigerern, finden Sie auf meiner Homepage.



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