Zu Unrecht: Gericht bestätigt Maskenpflicht bei Bundestagswahl (OVG NRW - 13 B 1534/21.NE)

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Mit Beschluss vom 24.09.2021 hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen den Eilantrag eines Klägers aus NRW auf vorläufige Aussetzung der Maskenpflicht gemäß § 3 Coronaschutzverordnung (CoronaSchVO NRW) bei der anstehenden Bundestagswahl abgelehnt.

Nach Auffassung des Gerichts bestehen voraussichtlich keine Bedenken gegen die Regelung, dass Wähler bzw. Stimmberechtigte bei der Wahl 21 in den Wahllokalen bei der Stimmabgabe eine Maske ("mindestens medizinische" Maske/OP-Maske, der Zusatz "mindestens wirft bereits Interpretation-Fragen auf, die das Gericht aber nicht nachzuvollziehen vermag) getragen werden muss.

Die Gründe ergeben sich wesentlich aus der Pressemitteilung des OVG vom 24. September 2021.

Der Antragsteller habe unter anderem geltend gemacht, durch das Masketragen bei der Stimmabgabe in seinem allgemeinen Wohlbefinden und seiner Konzentration beeinträchtigt zu werden. Zudem wolle er durch das Nichttragen einer Maske seine kritische Einstellung gegenüber den staatlichen Corona-Maßnahmen politisch kundtun. Ihn verletze die Maskenpflicht in seinem Wahlrecht.

Die Maskenpflicht im Wahlraum ist laut OVG NRW voraussichtlich eine verhältnismäßige Schutzmaßnahme.

Die Einschätzung des Verordnungsgebers, dass das Tragen von Masken einen wesentlichen Beitrag zur Verhinderung von Infektionen leisten kann, sei unter Berücksichtigung seines Einschätzungs- und Prognosespielraums rechtlich nicht zu beanstanden.

Ausgehend davon führe die zeitlich begrenzte einmalige Verpflichtung zum Tragen einer Maske im Wahlraum nicht zu einer unangemessenen Beschränkung der Rechte der davon Betroffenen. 

Insbesondere würde die insoweit regelmäßig auf wenige Minuten beschränkte Maskenpflicht die Wahlberechtigten nicht daran hindern, ihr Wahlrecht durch Ankreuzen des Stimmzettels auszuüben.

 Die Stimmabgabe im Wahlraum werde hierdurch auch nicht in unzumutbarer Weise erschwert.

Vor diesem Hintergrund werde das Demokratieprinzip oder die verfassungsmäßigen Rechte der Wahlberechtigten durch die angegriffene Regelung nicht erkennbar berührt.

Gleiches gilt laut OVG NRW in Bezug auf den Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl, da der Zutritt zum Wahlraum während der Stimmabgabe sowie der Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses jederzeit zumutbar möglich bleibe.

Den Wahlberechtigten werde durch das Tragen der Maske schließlich auch nicht die Äußerung bestimmter Meinungen verboten oder umgekehrt die Äußerung einer bestimmten Meinung aufgezwungen.

Brisant an dieser Maskentragungspflicht ist insbesondere § 3 Abs. 4 S. 3 CoronaSchVO, wonach der Wahlvorstand die gegen die Maskenpflicht verstoßende Person aus dem Wahlraum verweisen kann (Ermessen! des Wahlvorstands), wenn „unter den gegebenen Umständen der Infektionsschutz von im oder vor dem Wahlraum anwesenden Personen vom Wahlvorstand nicht zu gewährleisten“ ist.

Es dürfte sich auch einem Nichtjuristen erschließen, dass diese Formulierung erheblichen Interpretationsspielraum lässt, welcher der Willkür "Tür und Tor" öffnet.

Die Entscheidung geht in ihrer verfassungsrechtlichen Bedeutung weit über die Frage hinaus, ob die Wähler am Wahl-Sonntag 21 für wenige Minuten im Wahllokal eine Maske tragen müssen, da auch grundlegende Fragen zu den Corona-Maßnahmen berührt sind.

Nach hiesiger Auffassung ist die Entscheidung offensichtlich rechtsfehlerhaft, da die Kern-Beanstandungen der Klage, es handelt sich richtigerweise um einen Normenkontroll-Eilantrag gemäß § 47 Abs. 6 der Verwaltungsgerichtsordnung/VwGO, bzgl. der Regelung kaum bzw. nur unzureichend berücksichtigt wurden.

Insbesondere hat das Gericht weitgehend „außen vor gelassen“, dass der Wahlvorstand Maskenverweigerer quasi beliebig (zB wegen „fehlender Kooperationsbereitschaft“, siehe die Verordnungsbegründung, dieser Begriff ist nach diesseitiger Auffassung negativ, weil "totalitär besetzt") des Wahlraums verweisen darf.

Zudem ist das Gericht nicht darauf eingegangen, dass die Landesregierung die Regelung aufgrund veralteter, ca. 1 Monat (!) zurückliegender Corona-Kennzahlen erlassen hat, während die Zahlen seit Anfang September 21 massiv fallen und eine Gefahren-Neubewertung gebieten würden, siehe

https://www.giscloud.nrw.de/corona-dashboard.html

Bemerkenswerter Weise finden sich mit keinem Wort Ausführungen zu der (regierungsseitig seit Monaten behaupteten) Gefahrerhöhung durch die sog. Delta-Variante“ (früher: „Indien-Variante“) , sondern wird -in grober Vereinfachung- nur von „dem Virus“ gesprochen.

Stattdessen hat sich das Gericht veranlasst gesehen zu betonen, dass die vorliegende Anordnung der Maskenpflicht „erst recht“ nach der Neufassung des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) von Mitte September möglich sei.

Denn fortan könne die Maskenpflicht gemäß § 28a Abs. 3 S. 2 IfSG auch schon zum (bloßen!) präventiven Infektionsschutz“ angeordnet werden.

Dies birgt nach hiesiger Auffassung die Gefahr noch weiterer Verstetigung der Maskenpflicht, die mit dem genannten weit interpretierbaren Begriff quasi dauerhaft gehalten werden kann, solange nur der Bundestag (wie bis auf Weiteres) die „Epidemische Lage nationaler Tragweite“ nicht aufhebt, § 5 Infektionsschutzgesetz/IfSG.

Auch nur ansatzweise Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der mit sog. „Aufbauhilfegesetz“ (bei diesem geht es primär um Flutopfer-Hilfen und nur untergeordnet um COVID-19) im Schnellverfahren im Rahmen eines sog. Omnibusgesetz bzw. Artikelgesetz geänderten IfSG-Bestimmungen lässt das Gericht nicht erkennen und setzt sich hiermit auch nicht auseinander.

Die vorliegende Entscheidung stellt sich nach Obigem als rechtsstaatlich höchstbedenklich dar und wäre an sich ein „Fall für das Bundesverfassungsgericht, was wegen der kurz bevorstehenden zeitlichen Erledigung nach dem Wahltermin allerdings nicht praktikabel erscheint.

Leider ist die Tendenz ablehnender Entscheidungen in Verfahren gegen Corona-Schutzmaßnahmen keine Ausnahme, sondern im Gegenteil der Regelfall, was Verfassungsrechtler alarmieren muss, denn Ablehnungsquote von ca. 95% lässt darauf schließen, dass die Justiz nicht mehr das Empfinden aller "billig und gerecht denkenden Durchschnittsbürger" abbildet, sondern sich hiervon entfernt hat.

Wäre es anders, würde dies bedeuten, dass die Kläger -und mit ihnen ihre Rechtsvertreter- fast ausschließlich Querulanten wären, was angesichts zumeist gut begründeter Anträge jedenfalls zumeist nicht der Fall sein dürfte.

Es bleibt zu hoffen, dass insoweit "steter Tropfen den Stein" höhlt und die Verwaltungsgerichte bzw. Oberverwaltungsgerichte zu einer rechtsstaatlich einwandfreien, lebensnahen, den Bürgerwillen widerspiegelnden Entscheidungspraxis zurückfinden, damit Rechtsschutz keine leere Hülse wird.

Olaf Möhring, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Mönchengladbach / NRW



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