Tod während des Erziehungsurlaubs – neueste Rechtsprechung des EuGHs

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Fall:

Eine angestellte Tierärztin wird schwanger. Sie geht daraufhin unmittelbar in den Mutterschutz und im Anschluss daran in Erziehungsurlaub. Während des Erziehungsurlaubes stirbt sie. Der Ehemann und Alleinerbe der Verstorbenen begehrt nun die Auszahlung noch ausstehenden Urlaubs unter Vorlage eines Erbscheins. Die Arbeitgeberin bittet um kurze Mitteilung, ob der geltend gemachte Anspruch berechtigt ist. Von der Kürzungsmöglichkeit gem. § 17 I BEEG wurde kein Gebrauch gemacht.

Bis zum Beginn des Mutterschutzes hatte die Verstorbene noch 10 Urlaubstage.

In der Mutterschutzzeit waren vier Tage Urlaub angefallen, in der Elternzeit von Oktober 2016 bis Oktober 2018 weitere 48 Tage.

Lösung:

Die Fallgestaltung zeigt einige der derzeit im Urlaubsrecht durch die jüngsten Entscheidungen des EuGHs diskutierten Problemkreise auf:

1. Vererbbarkeit von Urlaubsansprüchen

Ursprünglich war es nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes (BAG 20.09.2011 – 9 AZR 416/10, BAG 12.03.2013 – 9 AZR 532/11) so, dass Urlaubsansprüche mit dem Tod des Arbeitnehmers erlöschen und nicht im Sinne von § 7 Abs. 4 Bundesurlaubsgesetz abzugelten waren.

Nach einer Vorlage an den EuGH entschied sodann der EuGH in seiner Entscheidung „Bollacke“ aber (EuGH 12.06.2014 – C – 118/13), dass der Urlaubsanspruch entgegen dieser Rechtsprechung nicht durch den Tod des Arbeitnehmers erlischt.

Der BGH hatte auch schon dementsprechend entschieden, jedoch in einem Fall, in dem der streitige Urlaubsabgeltungsanspruch bereits entstanden war (BAG, 22.09.2015 – 9 AZR 170/14).

Nunmehr hat der EuGH in seiner aktuellen Entscheidung vom 06.11.2018 (C – 569/16, C – 570/16) klargestellt, dass auch dann, wenn ein Urlaubsabgeltungsanspruch noch nicht entstanden ist, der Urlaub nicht untergeht, sondern vererbbar ist, auch wenn gegebenenfalls nationales Recht entgegensteht, mithin nach deutschem Recht §§ 7 Abs. 4 Bundesurlaubsgesetz, 1922 Abs. 1 BGB.

Zwischenergebnis:

Der Ehemann der Verstorbenen hat einen Urlaubsabgeltungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber seiner verstorbenen Ehefrau zumindest in Höhe der bis und während des Mutterschutzes angefallenen Urlaubs, § 25 Abs. 2 Mutterschutzgesetz.

2. Urlaubsansprüche während der Elternzeit:

Was ist aber mit den Urlaubsansprüchen, die während der Elternzeit entstanden sind? Grundsätzlich gilt auch hier, wie im Mutterschutzgesetz, dass der Urlaub, der während der Elternzeit entstanden ist, nach Beendigung der Elternzeit oder im nächsten Urlaubsjahr zu gewähren ist, § 17 III BEEG, wäre mithin abzugelten.

Auch hier kollidiert nach der neuesten Entscheidung des EuGHs nationales Recht mit der Rechtsprechung des EuGH. BAG und EuGH verfolgen dogmatisch völlig unterschiedliche Ansätze:

Der Ansatz des deutschen Urlaubsrechtes ist der, dass nicht zwingend eine Tätigkeit vorliegen muss, um einen Urlaubsanspruch zu erhalten. Dies ergibt sich schon daraus, dass der Urlaubsanspruch schon zu Beginn eines Kalenderjahres in vollem Umfang besteht.

Nach dem EuGH setzt demgegenüber ein Urlaubsanspruch zwingend eine Tätigkeit voraus. Nur ausnahmsweise akzeptiert der EuGH einen Urlaubsanspruch trotz fehlender Tätigkeit (Krankheit, Mutterschutz).

Für den Bereich der Elternzeit bleibt der EuGH jedoch bei seinem Grundsatz und das Entstehen eines Urlaubsanspruchs, gewährt dem Arbeitgeber damit grundsätzlich das Recht, den Urlaub während der Elternzeit zu kürzen (Entscheidung vom 04.10.2018, C – 12/17). Die Entscheidung widerspricht demnach § 17 Abs. 1 BEEG des nationalen Rechtes, der nur ausnahmsweise eine Kürzung erlaubt, nämlich dann, wenn der Arbeitgeber vor Ende der Elternzeit eine Erklärung gegenüber dem Arbeitnehmer/der Arbeitnehmerin abgegeben hat.

Endergebnis:

Es bleibt demnach im vorliegenden Fall nach den neusten Entscheidungen des EuGHs bei dem Ergebnis, dass nur der Urlaub, der bis zum Ende der Mutterschutzzeit erworben worden war (14 Tage), abzugelten ist.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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