Türkei meldet Kontodaten deutschen Finanzbehörden

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Seit 2021 beteiligt sich auch die Türkei am Automatischen Informationsaustausch (CRS) über Bankdaten. Der Common Reporting Standard (CRS) ist ein Verfahren zum internationalen Austausch von Steuerinformationen und soll im Außensteuerrecht die effektive grenzüberschreitende Besteuerung von Zinseinkünften (Quellenbesteuerung) sicherstellen. Bis Mitte 2021 haben 104 Länder dem CRS-Standard zugestimmt (BMF-Schreiben vom 16. Juni 2021, IV B 6 - S 1315/19/10030 :035), darunter nun auch die Türkei.


Die beteiligten Staaten verpflichten sich, automatisiert gegenseitig Bankdaten von Steuerpflichtigen auszutauschen, die in einem anderen Staat ansässig sind. Die ausgetauschten Daten beziehen sich rückwirkend immer auf das vorhergehende Kalenderjahr, im Falle der Türkei erstmals auf das Jahr 2019. In Deutschland gelangen die Meldungen über das Zentralamt für Steuern ab Oktober des Meldejahres an die zuständigen Wohnsitz-Finanzämter.


Viele der in Deutschland lebenden Menschen türkischer Herkunft besitzen auch Konten oder Wertpapierdepots in der Türkei und sind in Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. Es gilt für sie das sogenannte „Welteinkommensprinzip“. Dies bedeutet, dass in den deutschen Einkommensteuererklärungen sämtliche weltweit erzielten Einkünfte, also auch Kapitalerträge, die in der Türkei erzielt werden, vollständig anzugeben sind. Dies gilt zunächst unabhängig davon, ob nach dem Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland oder die Türkei das Besteuerungsrecht an den Zins- oder Dividendenerträgen hat. In seiner derzeitigen Fassung weist das Doppelbesteuerungsabkommen dem Ansässigkeitsstaat (Deutschland) das primäre Besteuerungsrecht an (privaten, nicht betrieblichen) Zinserträgen aus der Türkei zu:

Art. 11 Zinsen

(1) Zinsen, die aus einem Vertragsstaat stammen und an eine im anderen Vertragsstaat ansässige Person gezahlt werden, können im anderen Staat besteuert werden.

(2) Diese Zinsen können jedoch auch in dem Vertragsstaat, aus dem sie stammen, nach dem Recht dieses Staates besteuert werden; die Steuer darf aber, wenn der Nutzungsberechtigte der Zinsen im anderen Vertragsstaat ansässig ist, 10 Prozent des Bruttobetrags der Zinsen nicht übersteigen.


Nicht die Staatsangehörigkeit, sondern die Ansässigkeit im Sinne des Art. 4 des Doppelbesteuerungsabkommens ist entscheidend. Menschen mit türkischen Wurzeln, die in Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind, können durch Nichtangabe ihrer ausländischen Kapitalerträge in ihren Einkommensteuererklärungen eine tatbestandliche Steuerhinterziehung begehen. Es drohen aufgrund der CRS-Datenübermittlung durch die Türkei Tausende von Steuerstrafverfahren und Steuerermittlungsverfahren, in denen die Besteuerung der Kapitalerträge, jedoch auch die Herkunft des Kapitals Untersuchungsgegenstand sein wird.


Im Rahmen des CRS werden folgende Datensätze an die deutschen Finanzbehörden übermittelt: Nachname, Vorname, Anschrift, Geburtsdatum, Geburtsort, Steueridentifikationsnummer, Kontonummer, Depotnummer, Kontostand zum Ende des Kalenderjahres, Höhe gutgeschriebener Kapitalerträge (Zinsen, Dividenden, Surrogate) einschließlich Veräußerungserlösen von Wertpapieren. Auch Kontoauflösungen werden gemeldet.


Die Finanzbehörden prüfen nach Eingang des Datensatzes, ob der betreffende Steuerpflichtige Einkommensteuererklärungen abgegeben hat, falls ja, ob in diesen die gemeldeten ausländischen Kapitalerträge deklariert worden sind. Ist dies nicht der Fall, wird geprüft, ob ein Steuerstrafverfahren durch die Strafsachenstelle des zuständigen Finanzamts (in größeren Hinterziehungsfällen ermittelt die Staatsanwaltschaft) eingeleitet wird oder ob zunächst nur ein steuerliches Ermittlungsverfahren durch die Steuerfahndungsstelle durchgeführt wird. Nur in letzterem Fall besteht noch die Möglichkeit, eine strafbefreiende Selbstanzeige gemäß § 371 AO abzugeben, sofern keine sonstigen individuellen Sperrwirkungsgründe gem. § 371 Abs. 2, 2a und 3 AO diese Möglichkeit einschränken.


Sowohl im Rahmen von strafrechtlichen wie auch nur steuerlichen Ermittlungen haben die Finanzbehörden nach dem Doppelbesteuerungsabkommen mit der Türkei weitere Ermittlungsmöglichkeiten. So können konkrete Anfragen an die türkischen Finanzbehörden gerichtet werden mit dem Ziel, weitere Informationen und Daten auch zu anderen Einkünften wie beispielsweise Miet- und Renteneinkünften zu erlangen.


Wenn der in Deutschland ansässige Steuerpflichtige unternehmerisch tätig ist oder war, kann die Erforschung der Herkunft der Kapitalerträge hochproblematisch sein, wenn es sich dabei um in Deutschland nicht versteuerte Betriebseinnahmen handelt. Weitere strafrechtliche Probleme drohen, wenn der Steuerpflichtige in der Vergangenheit in Deutschland im Rahmen eines Insolvenzantrages oder bei Angaben zum Bezug von staatlichen Transfer- und Sozialleistungen das gemeldete Kapitalvermögen in der Türkei verschwiegen hatte.


Betroffene Steuerpflichtige sollten umgehend anwaltlichen Rat einholen. Sich mit der Fragestellung an das zuständige Finanzamt zu wenden, ist keine gute Idee: 

Straffreiheit für eine Selbstanzeige tritt nicht ein, eine die Steuerstraftaten im Zeitpunkt der Berichtigung ganz oder zum Teil bereits (bei der Finanzbehörde) entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste, § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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