Unterbringungskosten für Asylbewerber – muss das Land Berlin zahlen?

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2015 war für Deutschland ein besonderes und schweres Jahr, was die Flüchtlingskrise betrifft. Nie zuvor kamen so viele Menschen ins Land und suchten hier Schutz vor Krieg, Verfolgung und Armut. Über 400.000 Menschen haben einen Asylantrag gestellt. Zum Höhepunkt der Flüchtlingskrise 2015 hat das LaGeSo darauf Kostenübernahmeerklärungen abgegeben, um möglichst viele Asylsuchende unterzubringen und eine Massenobdachlosigkeit zu verhindern. Viele Hotels, Hostels und auch andere Betreiber von Unterkünften haben Flüchtlingen untergebracht. In den Kostenübernahmeerklärungen ist geregelt, welche Kosten die Betreiber verlangen dürfen. Danach dürfen nur die Kosten in Höhe des allgemein ausgewiesenen günstigsten Kostensatzes des Betreibers pro Person und Nacht, allerdings maximal 50,00 € pro Person und Nacht, erhoben werden. Kostensätze pro Übernachtung über 50,00 € werden nicht übernommen. 

Nachdem sich die Flüchtlingssituation allmählich beruhigt hatte, verlangte das Land Berlin von Betreibern von Notunterkünften die Rückzahlung der vergüteten Unterbringungskosten ganz oder auch teilweise zurück. Argumentiert wurde u. a. mit einem Verstoß gegen die Wohnraumzweckentfremdung oder eine fehlende Ausnahmegenehmigung und insbesondere damit, dass die Kostenübernahmeerklärungen kein Vertragsverhältnis begründet hätten zwischen dem Land Berlin und dem Betreiber der Unterkunft. Auch versuchte das Land Berlin bzw. das LAF über den Begriff „günstigster Kostensatz“ die Kostenübernahmen nachträglich zu drücken. In einem hier vertretenen Fall forderte das Land gar 100 % zurück, obwohl unstreitig war, dass der Betreiber die Flüchtlinge über mehrere Monate untergebracht hatte. 

Entscheidung des Landgerichts Berlin 

Das Landgericht Berlin hatte in einem Fall durch Urteil vom 05.12.2017 (27 O 615/ 16) entschieden, dass eine Kostenübernahmeerklärung des LaGeSo/LAF keinen direkten Anspruch des Betreibers begründen würde. Bei einer Kostenübernahmeerklärung handele es sich auch nicht um eine Schuldübernahme gemäß § 415 BGB. Eine Erfüllungsübernahme als echter Vertrag zugunsten Dritter sei ebenfalls nicht gegeben, denn dem stehe der Hinweis in den Kostenübernahmeerklärungen entgegen, dass gerade kein Vertrag mit dem Betreiber geschlossen werden soll.

Nach dieser Entscheidung konnte der Betreiber der Unterkunft daher keinen Anspruch auf die Kosten gegenüber dem Land Berlin geltend machen.

Urteil des Kammergerichts

(KG Berlin Urteil vom 29.12.2017 – 21 U 82/ 17 – juris)

Das Kammergericht hat am 29.12.2017 demgegenüber entschieden, dass nach Aufnahme eines Asylbewerbers in eine gewerbliche private Unterkunft der Betreiber jedenfalls dann einen direkten zivilrechtlichen Zahlungsanspruch gegen das Land Berlin für seine Leistungen hat, wenn er diese aufgrund einer Kostenübernahmeerklärung des Landes aus dem Jahr 2015 erbracht hat. 

Denn nach Ansicht des Kammergerichts Berlin handelt es sich bei Kostenübernahmeerklärungen um eine öffentlich-rechtliche Zusage, das heißt um eine hoheitliche Selbstverpflichtung mit Bindungswillen. Mit der Aushändigung dieser Erklärungen an Asylbewerber sollte erreicht werden, dass Flüchtlinge für einen bestimmten Zeitraum eine Unterkunft von privaten Beherbergungsbetrieben erhalten. Solche Betreiber sind grundsätzlich nur gegen Zahlung einer Vergütung zur Aufnahme und Beherbergung von Gästen bereit. Ein Asylsuchender ist in der Regel wirtschaftlich nicht in der Lage, Kosten für eine Unterkunft zu tragen. Wenn ein Betreiber dazu bewegt werden soll, den Asylsuchenden trotz Zahlungsunfähigkeit aufzunehmen, sollte ein zahlungsfähiger Dritter sich bereiterklären, die Kosten zu tragen. Folglich sollen die Kostenübernahmeerklärungen den Betreibern als verbindliche Zusage gelten. 

Weiter entschied das Kammergericht, dass für das LAF/LaGeSo erkennbar sein soll, dass das Vertrauen der Betreiber hinsichtlich der Kostenübernahme die entscheidende Voraussetzung für die Aufnahme von Asylsuchenden war. Dadurch, dass in der Kostenübernahmeerklärung diese Bedingung akzeptiert und zugleich mitgeteilt wird, unter Vorlage welcher Belege und welcher Originalunterschriften die erbrachten Leistungen im Einzelnen abzurechnen seien, ergibt sich ein Rechtsbindungswillen. Aus diesem begründet der Betreiber einen direkten Zahlungsanspruch gegen das LAF/LaGeSo. Dies gilt aber nur dann, wenn die von der Kostenübernahme erfassten Leistungen an den betreffenden Asylbewerber tatsächlich erbracht wurden. 

Der Vermerk am Ende der Kostenübernahmeerklärungen, wonach kein Vertragsverhältnis zwischen dem Betreiber und dem Land Berlin bewirkt werde, steht einem Rechtsbindungswillen nichts entgegen. Der Vermerk ist dahingehend zu verstehen, dass derjenige, der die Kostenübernahmeerklärung vorlegt, nicht bevollmächtigt ist, für das Land Berlin einen Vertrag zu seinen Gunsten abzuschließen. Insbesondere sollen zwischen den Asylsuchenden und dem Land Berlin keine Vereinbarungen getroffen werden, welche nicht erforderlich sind, um die Beherbergung sicherzustellen und die nicht im Interesse des Lands Berlins liegen (etwa Kündigungs- oder Stornierungsfristen). Dem direkten Zahlungsanspruch steht dies jedoch nicht entgegen, denn für das Land Berlin war erkennbar, dass der Zahlungsanspruch die notwendige Bedingung für die Aufnahme von Asylsuchenden war, um zur Erbringung der erwünschten Beherbergungsdienste bereit zu sein.

Das Bundesverwaltungsgericht hatte in einem früheren Fall ebenfalls entschieden, dass in einer Kostenübernahmeerklärung eine rechtsverbindliche Zusage eines öffentlichen Leistungsträgers liegen kann. Dadurch kann die Kostenübernahmeerklärung einen direkten Zahlungsanspruch gegen einen öffentlichen Leistungsträger begründen. Allerdings soll dies nicht für jede öffentliche Übernahmeerklärung gelten, sondern nur wenn der Leistungsträger seinen Rechtsbindungswillen zum Ausdruck gebracht habe. (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.05.1994, 5 C 33/91, BVerwGE 96, 71, Rn. 19). Dies ist nach der Entscheidung des Kammergerichts bei den Kostenübernahmeerklärungen des LAF/LaGeSo während der Flüchtlingskrise 2015 zu bejahen.

Höhe des Kostensatzes

Problematisch kann allerdings die Höhe der Vergütung sein. Das Land Berlin hat sich durch verbindliche Kostenübernahmeerklärung nur dazu verpflichtet, den allgemein ausgewiesenen günstigsten Kostensatz eines Beherbergungsbetriebs, höchstens aber 50,00 €, zu übernehmen.

Dadurch wird zum Ausdruck gebracht, dass nur die Vergütung gezahlt werden soll, welche auch von anderen Gästen in Rechnung gestellt wird. So soll sichergestellt werden, dass Betreiber die Beherbergungsleistung zu Marktpreisen und nicht zu einem höheren Tarif zulasten der Allgemeinheit erbringen. Die Kostenübernahmebereitschaft bezieht sich daher keineswegs auf einen vom Betreiber festgesetzten Preis, sondern auf seinen allgemein ausgewiesenen günstigsten Kostenansatz, dessen Angemessenheit durch den vorangegangenen Betrieb vom Markt bestätigt worden ist und einem Drittvergleich standhält.

Anders gelagert ist der Fall, wenn ein Betreiber ein Beherbergungsbetrieb für die Unterbringung von Flüchtlingen überhaupt erst gegründet hat. Der Betreiber kann sich dann nicht auf einen allgemein ausgewiesenen Kostensatz berufen, sondern einseitig einen Preis bestimmen. Für das Land Berlin ist die Preisbestimmung nur verbindlich, wenn diese nach billigem Ermessen getroffen worden ist. Ist das nicht der Fall, muss sie durch gerichtliches Urteil erfolgen (§ 315 Abs. 3 BGB). Die Qualität der Beherbergungsstätte ist ausschlaggebend für die Preisbestimmung. Die Darlegungslast liegt hier beim Betreiber, d. h. dieser muss vortragen, weshalb die in Rechnung gestellte Vergütung angemessen ist (vgl. Palandt, BGB, 77. Auflage, 2018, § 315 BGB, Rn 20). Bei einer Beherbergungsleistung mit niedrigen Standards wäre, geringere Vergütung angemessen, als bei einem Betrieb mit höheren Standards. 

Mitgeteilt von 

Kranich/Banna

Rechtsanwaltskanzlei Kranich, Berlin


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