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Was ist eine Aussperrung? Und was haben Streiks damit zu tun?

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Was ist eine Aussperrung? Und was haben Streiks damit zu tun?

Experten-Autor dieses Themas

Wahrscheinlich haben viele von Ihnen schon einmal mit den Auswirkungen von Streiks zu tun gehabt: Die Bahn fährt nicht, der Flieger in den wohlverdienten Urlaub hebt nicht ab, der Müll wird nicht abgeholt, wichtige Post kommt nicht rechtzeitig an oder die Kita Ihres Kindes wird bestreikt und es muss für Ersatzbetreuung gesorgt werden.  

Laut Statista waren allein im Jahr 2022 über 1500 Betriebe von den Arbeitsniederlegungen ihrer Arbeitnehmer betroffen.* Anfang 2023 fand ein weiterer, sehr großer bundesweiter Warnstreik statt, der den gesamten Verkehrssektor nahezu lahmlegte. 

Doch kann der Arbeitgeber sich bei einem Streik auch wehren, wenn ihm die Forderungen unangemessen hoch erscheinen und keine Einigung in Sicht ist? Ja, denn Ihr Arbeitgeber darf Sie aussperren, indem er Ihnen den Zutritt zu Ihrer Arbeitsstätte verweigert. Richtig gehört: Ihr Arbeitgeber darf Sie quasi suspendieren und muss Ihnen für diese Zeit keinen Lohn zahlen. Doch der Reihe nach, denn zuerst muss man dazu wissen, was genau ein Streik und eine Aussperrung ist und in welchem Verhältnis sie zueinander stehen. 

* Statista: Anzahl der von Streiks betroffenen Betriebe in Deutschland von 1993 bis 2022. 03.05.2023.

Was ist ein Streik und sind Streiks immer zulässig? 

Ein Arbeitskampf beginnt meistens mit Tarifverhandlungen von Gewerkschaften, deren Forderungen die Arbeitgeberverbände nicht immer zustimmen. Daraus entsteht ein Tarifkonflikt, der geschlichtet werden muss.  

Bleibt eine Schlichtung erfolglos, folgt meistens der Streik, bei dem die Arbeit niedergelegt wird. Der Streik ist erst einmal ein rechtlich zulässiges Mittel in diesem sogenannten Arbeitskampf. Im Grundgesetz (GG), Art. 9, heißt es in Abs. 1 und 3: 

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden. 

(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen […] dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.

Das erklärt auch, dass Gewerkschaften gebildet werden dürfen, da grundsätzlich nur Gewerkschaften das Recht zum Streik haben. Die Gewerkschaften vertreten die Arbeitnehmer, rufen Streiks aus und genehmigen diese. Mit einem Streik soll erreicht werden, dass den Verhandlungen – wie beispielsweise denen nach einer Lohnerhöhung oder nach besseren Arbeitsbedingungen – mehr Nachdruck verliehen wird.  

Es muss bei einem Streik immer um ein rechtmäßiges Streikziel gehen mit dem Vorsatz, sich einigen zu wollen. Den Streikenden drohen keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen wie Abmahnung oder Kündigung. Mitglieder einer Gewerkschaft – wie beispielsweise ver.di oder IG (Industriegewerkschaft) Metall – erhalten für die Zeit des Streiks das sogenannte Streikgeld, weil der Lohn (oder auch Arbeitslosengeld) für die Zeit des Streiks nicht gezahlt werden muss. 

Streiken dürfen grundsätzlich alle Arbeitnehmer. Ausnahme: Für Beamte besteht gemäß ständiger Rechtsprechung ein Streikverbot, weil sie dem Staat gegenüber eine Treuepflicht und hoheitsrechtliche Befugnisse innehaben (vgl. zum Beispiel die Urteile des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), Az.: 2 BvR 1738/12, 2 BvR 646/15, 2 BvR 1068/14, 2 BvR 1395/13). 

Was passiert bei einer Aussperrung? 

Was im Arbeitskampf der Streik der Arbeitnehmer ist, ist seitens der Arbeitgeber die sogenannte Aussperrung. Die Aussperrung ist ein zulässiges Mittel, womit die Arbeitgeber auf einen Streik reagieren können.  

Während bei Arbeitnehmern Gewerkschaften gebildet werden, sind es bei Arbeitgebern die Arbeitgeberverbände, die die Interessen der Arbeitgeber vertreten. Dabei schließen sich ausschließlich Arbeitgeber zu einem Verband zusammen, um mit den Gewerkschaften der Arbeitnehmer verhandeln zu können. Denn auch für Arbeitgeber gilt das bereits erwähnte Recht zur Tarifautonomie, Vereine und Gesellschaften zu bilden (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 26.06.1991, Az.: 1 BvR 779/85).  

Entschließt sich der Arbeitgeberverband – oder der Arbeitgeber – für eine Aussperrung, wird den Arbeitnehmern damit untersagt, die Arbeitsstätte zu betreten und die Arbeit aufzunehmen, bis ein bestimmtes Ziel erreicht ist. Die Folge einer Aussperrung für den Arbeitnehmer: Sein Lohn wird nicht fortgezahlt, das Arbeitsverhältnis ruht für die Dauer der Aussperrung wie bei einer Suspendierung. 

Voraussetzungen für eine Aussperrung 

Anders als beim Streik kann eine Aussperrung unter bestimmten Bedingungen gleichermaßen der Arbeitgeberverband, aber auch ein einzelner Arbeitgeber beschließen. Es kann hier also schon ein einzelner Arbeitgeber arbeitskampffähig sein.  

Genauso wie bei einem Streik muss es auch bei einer Aussperrung um ein tariflich regelbares Ziel gehen und der Wille zu Verhandlungen (Tarifverhandlungen) und zur Einigung muss gegeben sein. Folgende Punkte sollen ebenfalls beachtet werden: 

  • Die Aussperrung wird zur Abwehr eines zulässigen Streiks genutzt. 

  • Sowohl die Gewerkschaft als auch die Arbeitnehmer wurden über die Aussperrung in Kenntnis gesetzt. 

  • Die Aussperrung muss erforderlich und verhältnismäßig sein, sie soll fair und als letztes Mittel der Wahl eingesetzt werden. 

Was ist mit einer „kalten“ Aussperrung gemeint? 

Zu einer sogenannten kalten Aussperrung kann es vor allem bei miteinander verknüpften Geschäftsbereichen kommen. Dabei muss die Arbeit eingestellt werden wegen: 

  • fehlender Zulieferung, 

  • fehlender Abnahme oder 

  • fehlender Produktionsmittel 

Betrieb A ist beispielsweise mittelbar vom Streik des Betriebs B (Zulieferer) betroffen. Betrieb A wird zwar nicht bestreikt, er kann aber nicht produzieren, weil er vom streikenden Betrieb B keine Produktionsmittel geliefert bekommt. Dies wird auch als Fernwirkung bezeichnet. Durch die fehlende Produktionsmöglichkeit muss Betrieb A seine Beschäftigten nach Hause schicken. Es kommt dadurch zur kalten Aussperrung, was zur Folge hat, dass die Beschäftigten weder Lohn, Gehalt noch Kurzarbeitergeld erhalten. 

Aussperrungen kommen in der Praxis allerdings nicht häufig vor. Der letzte große Arbeitskampf, der eine Aussperrung nach sich zog, war der Kampf um die 35-Stunden-Woche im Jahr 1984. Der Arbeitskampf dauerte damals fast sieben Wochen an. In einem Artikel der Wochenzeitung Zeit wurde 2014 berichtet, dass es sich um den „teuersten Streik der deutschen Wirtschaftsgeschichte“ handelte.* 

* Oberhuber, Nadine: Arbeitskampf. 114 Tage Streik. In: zeit.de. 05.11.2014

Foto(s): ©Adobe Stock/zinkevych

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